Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich kann mich noch gut an mein erstes Kindergebet erinnern. Abends, wenn meine Mutter mich ins Bett brachte, dann beteten wir: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein“. Das war kurz und bündig, nicht schwer zu lernen und mein Gute-Nacht-Ritual.
Als Kind ist die Welt irgendwie einfacher, klarer. Damals war es für mich keine Frage, dass Gott mich hört und dass Jesus jetzt, diese Nacht bei mir ist, ich brauche keine Angst zu haben. Aber je älter ich werde, desto schwerer wird manchmal das Beten. Was ich als Kind ganz unbekümmert tat, kommt mir als Erwachsenem nur schwer über die Lippen.
Die Tage las ich in meiner Bibel über Mose, den großen Anführer des Volkes Israels beim Auszug aus Ägypten. Mose, der noch heute von den Juden als einer der ganz großen Gottesmänner verehrt wird, hatte eine ganz eigene Art zu beten, er feilscht geradezu mit Gott. „Gott, du kannst es doch nicht zulassen, dass dein Volk hier in der Wüste umkommt, du blamierst dich doch vor den anderen Völkern.“
Moses kennt anscheinend keine liturgischen Formeln oder eine besonders heilige Sprache wenn er mit Gott redet. Sein Gebet erinnert mich eher an einen orientalischen Basar, bei dem richtig gefeilscht wird. Und anscheinend macht es Gott nichts aus, dass Mose so mit ihm spricht, wie ihm eben der Schnabel gewachsen ist. Entscheidend ist, dass Mose ein großes Problem hat, eine echte Sorge und sich damit an Gott wendet. Er spricht ganz offen mit seinem Gott, eben wie mit einem Menschen, den er gut kennt und mit dem er seine Sorgen teilt.
Irgendwie erinnert mich das an die Unbekümmertheit meiner Kinderzeit. Da habe ich Gott auch ganz einfach gesagt, was mich bewegt und war mir sicher, dass er mich hört und ernst nimmt. Heute mache ich mir leider oft viel zu viel Gedanken, was oder wie ich mit Gott sprechen kann, ob er überhaupt da ist, oder ob ihm mein Anliegen auch wichtig genug ist.
Vielleicht müssen wir wirklich wieder werden wir die Kinder: Unbekümmert und frei in unserem Gespräch mit Gott, so wie es auch Mose war. Heute rede ich immer öfters mit Gott so, wie es mir eben auf dem Herzen liegt, ohne feste Formeln oder Gebete. Dabei spüre ich die Nähe Gott und habe das Gefühl, dass meine Anliegen bei ihm in guten Händen sind.

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