Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Seit 20 Jahren erlebe ich, wie sich die Situation im Religionsunterricht verändert. In der Schule, in der ich jetzt auch Religionslehrerin bin, sind inzwischen 70% aller Schüler nicht getauft. Das ist bemerkenswert und erstaunlich. Gerade auch bei Elternabenden gibt es dazu spannende Gespräche. Religion ist ein emotionales Thema, über das heiß diskutiert wird. So manche bittere Erfahrung mit Kirche klingt dabei an. Auch Unverständnis über kirchenpolitische Entscheidungen oder gar Ärger. Manche Eltern fragen, ob es möglich ist, Ethik statt Religion zu unterrichten. Mehr als 50% wäre das lieber.
Religion ist ordentliches Schulfach, wie Mathematik und Deutsch auch, erkläre ich. Einziger Unterschied: Eltern können ihre Kinder vom Religionsunterricht aus Glaubens- und Gewissensgründen abmelden.
So ist es in der Verfassung verankert. Trotzdem unterstütze ich die Eltern, sich zu erkundigen, wenn es um Ethik in der Grundschule geht. Bildungspolitik und Kirchen müssen sich dieser Entwicklung stellen. Daran führt kein Weg vorbei.
Gleichzeitig erzähle ich, was Kinder alles fragen und was sie beschäftigt. „Du, warum sagt man eigentlich Gott sei Dank? Oder Grüß Gott? Und was hat der Osterhase mit Ostern zu tun? Warum wird man geboren, wenn man am Ende doch sterben muss?“ Kinder fragen so direkt. „Glaubst du an Gott?“ will ein Junge zu Beginn einer Relistunde von allen anderen wissen. „He, warum fragst du das?“ antwortet ein anderer und schon sind wir mitten in einem spannenden Gespräch darüber, was anders ist, wenn man an Gott glaubt.
Es ist bemerkenswert, was Kindern alles einfällt. Und sie wissen viel, auch über andere Religionen. Egal ob sie getauft sind oder nicht.
Kinder brauchen Menschen, denen sie ihre religiösen Fragen stellen können und die mit ihnen darüber nachdenken wie über Mathe oder Deutsch. Sie brauchen Menschen, die mit ihnen nach Antworten suchen und aufrichtig sagen, was sie selbst glauben. Sie brauchen Menschen, die ihnen vom christlichen Glauben erzählen und ihnen zuhören, was sie selbst schon wissen, auch über andere Religionen.
Ob sie auf diesem Weg dann gläubige Christen werden, dürfen wir getrost dem überlassen, der den Glauben schenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7566
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