Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Nicht im Stich lassen – sich nicht und andere nicht. Das ist die Mindest-Utopie, ohne die es nicht lohnt, Mensch zu sein. An ihr halte ich fest bis zu meinem letzten Atemzug.“
Hilde Domin hat diese Sätze gesagt. Sie lebt nicht mehr. Manche kennen sie als deutsche Dichterin. Für mich ist sie eine moderne Heilige.
„Nicht im Stich lassen – sich nicht und andere nicht. Das ist die Mindest-Utopie, ohne die es nicht lohnt, Mensch zu sein.“ Diese Sätze beunruhigen mich. Gleichzeitig bin ich froh, sie immer wieder zu hören. Mit fast 50 habe ich mich mit vielem abgefunden, das ich nicht ändern kann. Gott sei Dank. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich habe mich mit vielem schon zu gut abgefunden. Manchmal prallen selbst die schlimmsten Nachrichten an mir ab als hätte ich sie nicht gehört.
Wie kann ich es ertragen ohne abzustumpfen, wenn ich z. B. höre, dass es immer mehr Jugendliche gibt, die spielsüchtig sind. Die sich weigern zur Schule zu gehen und völlig verwahrlosen, weil nichts wichtiger für sie ist als ihre virtuelle Welt. Wie kann ich es aushalten ohne resigniert hinzunehmen, dass z.B. viele Jugendliche gewaltbereit und kriminell sind, weil sie zu den Verlierern in unserer Gesellschaft gehören.
Gut ist, wenn ich mich erinnere, dass ich Gott das unerträglich Schwere hinhalten und ihm überlassen kann.
Gut ist auch, wenn ich höre oder lese:
„Nicht im Stich lassen – sich nicht und andere nicht.“
Hilde Domin hat es auch als alte Frau nicht aufgegeben, sich über Unrecht und Ungerechtigkeit aufzuregen. Ihr Glaubensbekenntnis in diesem aufregenden Leben fasst sie so zusammen: „Ich glaube, das Wichtige ist, dass wir nicht nur die Erinnerung an das Erlittene weitergeben sondern auch die Erinnerung an die empfangene Hilfe. Und dass wir die jungen Menschen dazu ermutigen, nie wegzusehen, sondern immer hinzusehen wenn Unrecht geschieht; dass wir sie ermutigen die Welt zum Menschlicheren hin zu verändern: indem der einzelne, wo Hilfe nötig ist, das Schicksal des Einzelnen zum Besseren wendet. Jede Generation muss dazu beitragen, dass wir eine große Erinnerungs- und Hilfsgemeinschaft bilden,
frei von Menschenverachtung.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=7565
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