Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In der Schule habe ich als Schüler einmal einen Tierfilm gesehen. Er hieß, glaube ich, „Die Wüste lebt“. In diesem Film wird gezeigt, wie die Buschmänner in Afrika Affen fangen. Sie nehmen eine Frucht, so eine Art Kürbis, machen ein Loch hinein, dass so groß ist wie die Hand eines Affen und höhlen diese Frucht aus. Dann legen sie ein Paar Erdnüsse hinein und warten. Der Affe kommt, steckt seine Hand in den Kürbis und greift sich eine Hand voll Erdnüsse. Die volle Hand kann er dann aber nicht mehr herausziehen und er ist gefangen. Der Affe müsste einfach nur loslassen, um frei zu kommen, aber er tut es nicht.
Ich habe mich als Schüler immer gefragt, warum der Affe so dumm ist und nicht einfach loslässt. – Inzwischen kann ich ihn besser verstehen, weil ich bei mir und anderen erlebt habe, wie schwer es sein kann, Dinge los zu lassen. Es fällt schwer, Angewohnheiten zu ändern. Es fällt schwer, Dinge aufzugeben, obwohl ich weiß, dass sie mir und anderen Schaden.
Was hätte den Affen dazu bringen können, seine Hand zu öffnen und die Erdnüsse loszulassen? Die Angst, gefangen zu werden, konnte ihn offensichtlich nicht dazu motivieren. Ich glaube, er hätte erst losgelassen, wenn man ihm etwas Bessres als Erdnüsse hingehalten hätte, eine Banane zum Beispiel.
Genau so ist das auch mit den schlechten Gewohnheiten: Jeder, der gern viel Schokolade isst, weiß, dass sie dick macht und ungesund ist, und jeder Raucher weiß, dass das Rauchen ihn umbringen kann. Trotzdem können diese negativen Folgen Viele nicht zum Aufhören bringen. Es muss noch etwas dazu kommen: Nämlich die Aussicht auf etwas Besseres. Das Vertrauen dass, wenn ich die eine Sache aufgebe, etwas Besseres dafür bekomme.
Neulich habe ich ein Interview mit einem Rock-Musiker gelesen. Es hat erzählt, dass er erst da aufhören konnte zu trinken, als er gemerkt hat, dass ihm der Alkohol die schönen und eigentlich wichtigen Dinge des Lebens weggenommen hat. Zum Beispiel seine Liebe zur Musik. Und als er die Flasche losgelassen hat, da hat er seine Begeisterung für die Musik wieder zurückgekommen.
Ich glaube das Schwierige am Loslassen ist, dass ich dann kurze Zeit mit leeren Händen da stehe und gar nichts habe. Trotzdem lohnt es sich. Denn, so hat es mal jemand formuliert, „Ich habe keine Hand frei, das Leben zu ergreifen, während ich mich ängstlich (…) an das klammere, was mein Leben einschränkt“ (Hans-Joachim Eckstein). Es geht also nicht so sehr ums Loslassen als vielmehr darum, etwas Besseres zu ergreifen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7553
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