SWR4 Abendgedanken RP

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Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! Dieser erste Vers aus dem 14. Kapitel des Johannesevangeliums ist die diesjährige Jahreslosung für das Jahr 2010.

Teil 1
Sie hängt in vielen Gemeindesälen, in fast allen Schaukästen evangelischer Kirchengemeinden. Sie ist Titelblatt vieler christlicher Abreißkalender und meistens Predigttext für die erste Predigt im neuen Jahr: die Jahreslosung. Die gab es zum ersten Mal offiziell im Jahr 1934. Evangelische Jugendverbände, Frauenhilfe und die Ausbildungsstätten von Diakonen- und Diakonissenhäusern kamen in einem Textplanausschuss zusammen und veröffentlichten zum ersten Mal zentral einen Spruch. „Des Herren Wort aber bleibet in Ewigkeit“. Worte aus dem 1. Kapitel des ersten Petrusbriefes waren dafür gewählt. Mit dieser Jahreslosung erschienen auch erstmals die Monatssprüche, auf gelben Blättern gedruckt und daher auch „gelbe Sprüche“ genannt. Damit kämpfte in den 30er Jahren eine kleine Gruppe der evangelischen Kirche um Gottes Wort in der Öffentlichkeit. Diese „gelben Sprüche“ wurden so etwas wie Losungen im Kirchenkampf und erreichten schnell eine Auflage von über 500.000 Stück. Natürlich gefielen die den Nationalsozialisten nicht und wurden prompt wieder verboten. Und doch: es gab sie trotzdem weiter – die Jahreslosungen. Und sie wurden zu einem Bekenntnissatz in schweren Zeiten. Sie waren wie Leuchtfeuer in dunkler Zeit. Wie eine Antwort auf politische Abläufe und Geschehnisse. „Des Herren Wort aber bleibet in Ewigkeit“ - diese Worte aus dem 1. Petrusbrief waren 1934, kurz nach der Machtergreifung von Hitler und seiner Vision von einem „ewigen Reich“ wie eine Kampfansage. Als sich abzeichnete, dass Hitler auf einen Krieg zusteuerte, war die Jahreslosung von 1939 ein Trostwort gegen den bevorstehenden Schrecken: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!
Mit diesem Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja zogen viele evangelische Männer im September dieses Jahres 1939 in den Krieg. Nach der Katastrophe dieses Krieges 1945, als sein vernichtendes Ende absehbar war, verhieß die Jahreslosung aus dem Hebräerbrief Hoffnung auf einen neuen, einen friedlichen Anfang. „Lasset uns aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht und hat sich gesetzt zur Rechten auf den Stuhl Gottes.“ (12,2)
Wenn im Jahr 1945 der Krieg auch vorbei war, das Elend vieler Menschen dauerte an. Ein Neuanfang brauchte Zeit, brauchte Kraft und brauchte Ermutigung. Welchen Weg sollen wir gehen? Gibt es für uns überhaupt einen neuen Weg? Viele haben im Hungerwinter 1945 so gefragt. Und eine erste Antwort darauf gab ihnen dann die Jahreslosung für das erste Nachkriegsjahr 1946 aus dem Johannesevangelium. Dort heißt es im 14. Kapitel im Vers 6: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Teil 2
Von Anfang an sprechen die Jahreslosungen mit einer ganz eigenen Deutlichkeit in ihre jeweilige Zeit. Und in den letzten Jahren haben sie für mich einen besonderen seelsorgerlichen und auch missionarischen Charakter bekommen. Ich weiß noch gut, wie mich die Bilder des fürchterlichen Tsunamis in Asien in den Tagen nach dem Weihnachtsfest des Jahres 2004 bewegten. Meine Frage war damals die von vielen anderen auch: Wie kann Gott so etwas zulassen? Und ich habe gebetet: Gott, wo warst du?
Und in all mein Zweifeln, in all meinem Nicht-verstehen begegnete mir damals die Jahreslosung für das Jahr 2005 aus dem 22. Kapitel des Lukasevangeliums. Dort steht im Vers 32: „Christus spricht: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Ich weiß noch gut, wie mich das berührt hat. Diese Vorstellung: Christus betet für mich, wenn ich es mal nicht kann. Die hat mich sehr beruhigt.
Und seitdem achte ich viel stärker auf die Worte am Jahresanfang, die Jahreslosungen. Ich sehe die Menschen in meiner Gemeinde. Denke z.B. an eine alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern, wie sie alles so schafft, großartig. Obwohl sie ziemlich müde aussieht und es vielleicht auch ist, hat sie eine ganz unglaubliche Energie. „Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen, und verlasse dich nicht!“. So hieß es in der Jahreslosung 2006. Christus spricht diese Worte auch für sie.
Da habe ich einen Mann in den fünfzigern vor Augen. Er war lange arbeitslos und verarmt. Vor einiger Zeit hielt ein Auto neben mir. „Hallo, Herr Pfarrer, stellen sie sich mal vor, …“ Und er erzählte eine Geschichte von einem Neuanfang in einer kleinen Firma. „Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?“
Die Botschaft der Jahreslosung 2007 war für diesen Mann ganz konkret geworden.
Mit einer alten Frau habe ich diese Worte der Jahreslosung 2008 am Krankenbett gebetet. „Jesus Christus spricht: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Sie hatte Krebs und nicht mehr viel Zeit. „Wissen Sie, Herr Pfarrer“, sagte sie, „ich habe hier auf Erden so ein schönes Leben gehabt, ich habe so wunderbare Töchter. Wenn das Leben beim lieben Gott nur halb so schön wird, dann darf ich mich auch auf diesen Lebensabschnitt freuen, der soll ja lange dauern.“
Natürlich sind Jahreslosungen immer auch Antwort auf die Zeit, in die sie sprechen. Wertvoller werden sie für mich aber, wenn ich sie als Wegweisungen für den eigenen Glauben verstehe. Sie geben Halt, Orientierung, sind wie ein kleiner Schubs auf dem eigenen Glaubensweg, der im Laufe eines Jahres immer mal wieder nötig wird. Und als solchen möchte ich auch die Worte für das Jahr 2010 hören.

Teil 3
Jahreslosungen sprechen in die Zeit mit all ihren Themen und Problemen. Sie wollen uns helfen in unserem Glauben und uns neu auf den Weg bringen. In diesem Jahr stammt die Losung aus dem 14. Kapitel des Johannesevangeliums. Da heißt es: Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!
Ich muss an die Leute in meiner Gemeinde denken. Da sind junge Menschen. Sie werden in diesem Jahr die Schule verlassen. Einige wissen sehr genau, wohin ihr Weg gehen soll. Andere ahnen, dass das Leben „draußen“ vor der Schule doch härter wird als gedacht. Sie haben ihre ersten Bewerbungen geschrieben und schon erste Absagen bekommen. „Euer Herz erschrecke nicht!“ sagt Jesus. „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Und ich möchte dem gern hinzufügen: „Glaubt an euch!“
Jesus verabschiedet sich mit diesen Worten von seinen Freunden. Und man spürt, dass er seinen Freunden Mut machen möchte, sie stark machen möchte, auf eigenen Füßen zu stehen. Und genau so möchte ich diese Worte auch jungen Leuten weitergeben. Ganz besonders für sie gesagt.
Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! Bei diesen Worten Jesu habe ich aber auch Menschen vor Augen, die in diesem Jahr aus dem Berufsleben ausscheiden. Manche von ihnen haben sehr genaue Vorstellungen, was dann sein soll. Manche gehen dieser Zeit mit ganz gemischten Gefühlen entgegen. Was wird werden? fragen sie. Wie soll’s wohl werden? Was auch immer kommt, sagen viele, Hauptsache gesund! Und ich möchte dem hinzufügen: Und selbst wenn dieser Wunsch nicht erfüllt wird: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! Jesus erinnert uns mit diesen Worten daran, dass er ja unsere Wege mitgeht und vieles mitträgt, was wir vielleicht nicht mehr so tragen können wie wir es wollen.
Was wird das Jahr wohl alles bringen? Vielleicht haben Sie auch wieder viele Ideen und Vorsätze und wissen doch wie ich: am Ende des Jahres 2010 wird wieder vieles anders gekommen sein als gedacht.
Deshalb wünsche ich Ihnen und mir die Gelassenheit eines fröhlichen Christen, den ich sehr bewundere und dessen Worte ich mir immer wieder gern ins Gedächtnis rufe. Hanns Dieter Hüsch, der Kabarettist und fröhliche Gottesstreiter, hat uns dazu ein Gebet hinterlassen, mit dem ich schließen möchte:

Herr, wir sind schon tief im Januar
Hilf mir, dass ich meinen Sätzen treu bleibe
Das Jahr der Güte soll es sein
Und der Geduld
der Zukunft und der Zuversicht
Wir teilen die Zeit ein und machen Pläne
Und wünschen allen ein gesundes Wiedersehen
Du aber bist die Zeit
der Wahrheit und der Wirklichkeit
Hilf mir, dass ich deinen Plan erkenne
Dass kein böses Blut in mir
Und der Friede mein Herz beseelt.
Danke.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7508
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