Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Empathie und Mitgefühl. - Kann man das lernen? Man kann es, indem man seinem Gegenüber sehr genau zuhört, also ganz Ohr ist. Ich finde das ein sehr schönes Bild: ganz Ohr sein. Ich stelle mir das wirklich so vor, dass ein Mensch sich ganz in ein Ohr verwandelt und einfach nur zuhört. Ich habe mal gelernt, dass interessiertes, aktives Zuhören davon lebt, dass man den Sprecher mit kurzen Floskeln ermutigt weiterzuerzählen: „aha!“, „echt?“, „wirklich?“ Oder durch kurzes Nachfragen Interesse zeigen soll: „Wann war das genau?“, „Wer war da beteiligt?“. Es ist eine Technik, um den anderen zum Reden zu bringen. Die Fernsehmoderatorin Anne Will sagt dazu in einem Interview: „Wichtig ist, den anderen nicht zu treiben, indem man zwischendurch ständig beifällig „stimmt“ oder „ja“ sagt. Das hilft ihm nicht, seine Gedanken in Ruhe zu fassen“.
Es ist nämlich etwas anderes, wenn ich mich wirklich für den Menschen interessiere, für seine Freuden und Leiden, seine Hoffnungen und Ängste und so ganz Ohr bin.
Dann gilt es auch, einfach aushalten zu können, was den anderen gerade beschäftigt, was er vielleicht gerade Schweres zu ertragen hat. Man muss nicht immer gleich alles kommentieren. Einen Tipp auf Lager haben. Einfach nur zuhören und aushalten. Das ist leichter gesagt als getan.
Paartherapeuten empfehlen in Krisensituationen zum Beispiel das so genannte Zwiegespräch: Jeweils ein Partner darf bis zu einer halben Stunde seinen Gedanken freien Lauf lassen und von dem erzählen, was ihn umtreibt und beschäftigt. Der andere darf nicht unterbrechen, keine Zwischenfragen stellen oder Kommentare abgeben. Der, der redet bleibt ganz bei sich, seinen Bedürfnissen und Interessen. Man kann dazu sogar Rücken an Rücken sitzen, um sich ganz auf das Gesagte konzentrieren zu können. Der, der zuhört, der eine zeitlang ganz Ohr war, sagt dann, was er gehört hat, was bei ihm angekommen ist. Es findet keine Diskussion statt, kein Angriff, keine Anschuldigungen. Anklagen ist genauso tabu wie sich rechtfertigen wollen. Solche Zwiegespräche können sehr entspannend und hilfreich sein, das Verständnis füreinander vertiefen. Unter Anleitung eines erfahrenen Dritten können sogar festgefahrene Muster aufbrechen. In langjährigen Beziehungen merkt man oft gar nicht mehr, wie automatisch bestimmte Gespräche ablaufen.
Vielleicht hilft aber auch einfach die Vorstellung, für eine gewisse Zeit für den anderen einmal nur ganz Ohr zu sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7442
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