SWR4 Abendgedanken RP

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Jetzt beginnen sie wieder, die tollen Tage: carne vale, „Fleisch lebe wohl“, wie es allgemein übersetzt wird. Oder Fastnacht, die Zeit zum Possen reißen vor der Fastenzeit. Zeit, auch um sich lustig zu machen, über all die, die sich scheinbar furchtbar ernst nehmen. Auch die Kirche. Aber wie ist das Verhältnis von Fastnacht und Religion? Dieser Frage wollen wir im heutigen Blickpunkt nachgehen.

Teil I Religion in der Bütt?

Heute mit dem Thema Fastnacht und Religion. Und wo anders könnte der beginnen, als in der Bütt:
Ja liebe Gläubige, liebe Ungläubige, liebe Scheinheilige, liebe Unschuldsengel, liebe Putzteufel! Ja als einer der engsten Mitarbeiter des Papstes weiß ich natürlich nicht, ob ich hier von Andersgläubigen verstanden werde ....
Für den Papst arbeitet er zwar nicht, dafür aber für den Mainzer Kardinal Lehmann. Thomas Klumb ist Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Mainz und gleichzeitig mit Leib und Seele Fastnachter. Was liegt näher, als kirchliche Themen in die Bütt zu bringen. Aber passt das überhaupt zusammen, Fastnacht und Religion?

Ja, es erstaunt mich schon, dass diese biblischen oder religiös christlichen Themen auch starke Resonanz auslösen, etwa wenn ich mir Gedanken mache, ob Jesus Deutscher oder Holländer war. Deutscher, weil er ja Wasser in Wein und nicht in Tomaten verwandelt hat, für den Holländer andererseits wieder spricht, dass Jesus immer mit mehreren Anhängern unterwegs war. Und wenn daraufhin starke Resonanz kommt, dann kann es mit dem christlichen Glauben doch nicht so ganz schlecht stehen, wie manchmal angenommen wird.

Doch wenn es um den Glauben geht, verstehen viele keinen Spaß. Ihre Einstellung: Über Religion macht man keine Witze. So richtig heiß ist das Thema seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen. Also: Darf man über Gott und über sein Bodenpersonal lachen?

Blasphemien, Häresien, Beleidigungen persönlicher Art, das hab ich mir selbst als Grenze auferlegt, das wird es bei mir nicht geben. Aber wenn ich zum Beispiel ein Gebet bringe zum Hl. Josef, der ja Vater geworden ist, ohne zu sündigen, und ich darum bitte, dass ich, wenn ich sündige, nicht Vater werde, dann ist das genau diese Grenze, an der ich vielleicht rüttele.

Und so macht Thomas Klumb weiter Witze über Gott, Kirche und Co. Auch weil er weiß, dass man nur über das so richtig herzhaft lachen kann, was man kennt. Seine Kirche ist ihm nicht egal, der Glauben liegt ihm am Herzen. Deshalb hat natürlich seine Leidenschaft für die Fastnacht auch mit seinem Glauben zu tun:

Ja, zunächst ist die Bibel eine froh machende Botschaft, sie enthält viele Bilder und Geschichten, die uns Menschen erlöster werden lassen können auf dieser Welt. Und wenn ich dann in der Bütt stehe und andere Menschen lachen sehe, durch das was ich ihnen da zeige und zu Gehör bringe, dann ist Fassenacht eben ein kleines Stück vom Paradies, das uns da verheißen ist.

Das Paradies auf Erden – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Hat die Fassenacht wirklich solche Auswirkungen auf Gläubige, auf Kirche?

Teil II Fastnacht und die Institution Kirche

Nicht nur die Meenzer lieben ihre Fassenacht. Aber bei der Katholischen Kirche hinterlässt sie deutliche Spuren: So ist der oberste Chef der Diözese, Kardinal Lehmann „Ritter wider den tierischen Ernst“, der Leiter der Öffentlichkeitsabteilung, Thomas Klumb, steigt regelmäßig in die Bütt und der Diözesanjugendseelsorger Markus Konrad reitet jedes Jahr beim Rosenmontagszug mit.
Steht also Generalvikar Dietmar Giebelmann, der Verwaltungschef der Mainzer Diözese einer ganz besonders lustigen Kirchenbehörde vor?

Wir freuen uns über die karnevalistischen Aktivitäten unserer Mitarbeiter, den Begriff des Karnevalsvereins überlassen wir anderen Mainzer Institutionen. Wir selber wissen aber, dass Karneval, Fastnacht und Kirche eine innige Einheit sind.

Weil Karneval und Kirche gerade in den Fastnachtshochburgen einfach zum Leben dazugehören. Die Kirche versucht, nicht nur von einer menschenfreundlichen Welt zu reden, sondern das Miteinander in der Arbeitswelt umzusetzen. »Lieber zusammen schunkeln als gegenseitig mobben« könnte die Devise heißen. Fastnacht, so Generalvikar Giebelmann, stärkt schon seit Jahren das positive Betriebsklima unter den Mitarbeitern von Kardinal Lehmann:

Es ist gut, wenn man nicht nur zusammen arbeitet, sondern auch hier und da zusammen feiert; und in Mainz ist die Fastnachtsfeier eine ursprüngliche Form des miteinander Feierns, und feste Feiern!

Aber das Leben ist keine Fastnachtssitzung. Wer weiß das besser, als die rechte Hand von Bischof Lehmann. Dietmar Giebelmann muss jede Menge Sitzungen leiten, unbequeme Personalentscheidungen treffen und tragfähige Finanzkonzepte für die Zukunft mitentwickeln. Hier sind Konflikte vorprogrammiert. Da kann einem das Lachen vergehen. Und trotzdem findet Giebelmann, dass in jeder Sitzung mindestens einmal gelacht werden muss:

Und ich bin fest davon überzeugt, dass Lachen und Leiten was miteinander zu tun hat. Also, wenn ich manche Veranstaltungen erlebe, die ich leite, muss man die ab und zu einmal wenigstens vom Wort her verfremden, um das Ganze nicht zu ernst zu nehmen, was eigentlich gar nicht so ernst gemeint war. Darum sage ich immer, man muss über sich selbst und über manches, was man tut auch mal lachen können; das gehört für mich zur Leitung dazu.

Dafür wird er im Bischöflichen Ordinariat geschätzt, für seinen trockenen Humor. Er will die christliche Botschaft vermitteln: „Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt.“ Sich nicht unterkriegen zu lassen von dem Ernst des Lebens. Wer den Überblick behält und die Probleme belächelt, der kann sie auch lösen. Für Giebelmann ist das keine Oberflächlichkeit sondern eine Einstellung zum Leben, aus seinem Glauben heraus:

Es gibt eine Grundgelassenheit und das gibt mir mein Glaube, eine Grundgelassenheit ist eigentlich, dass ich weiß, ich bin in diesem Leben von Gott gehalten, egal was passiert, auch über diese Vergänglichkeit hinaus. Darum kann ich auch in Gelöstheit leben und in Gelassenheit lassen. Das hat für mich etwas mit Glauben, Humor und Fröhlichkeit zu tun.


Teil III Fastnacht und Glaube

„Wir sind alle arme kleine Sünderlein“, hat Willy Millowitsch gesungen. Und Jahrhunderte lang hat die Kirche auch eher eine Drohbotschaft aus dem Evangelium gemacht anstatt einer Frohbotschaft. Zwar kommt das Wort Lachen nur rund zwanzig Mal in der Bibel vor, aber die gute Nachricht hat sich durchgesetzt: Der christliche Gott ist ein Freund des Lebens. Deshalb gehören Lachen und Feste feiern für den Theologieprofessor Andreas Büsch zum Mensch-Sein dazu:

Ich glaube, dass ist etwas, was ganz wesentlich zum Leben dazugehört, dass Leben nicht nur Leistung, und Arbeit und Schaffen und Wirtschaft ist, sondern dass Leben auch ne Qualität hat, die so mit dem altmodischen Wort Muße am besten zu beschreiben wäre. Und da wo wir mal so tun, als ob, da wo wir locker lassen, wo wir mal eine andere Realität ausprobieren. Und wenn es denn wirklich im wahren Wortsinn, die Fastnacht ist, dann glaube ich, steckt genau das dahinter.

Also ist die Fastnacht richtig gefeiert weder eine Volksverdummung, noch eine Verdrängung von Problemen, sondern gute biblische Tradition: Der Mensch braucht feste Rituale und Zeiten. Eine Zeit zum Feiern und eine Zeit, um in sich zu gehen. Die Fastnacht hat da eine bestimmte Funktion:

Natürlich zuerst mal den Einstieg in den Ausstieg, also die Vorbereitung, die wilden Tage vor der österlichen Bußzeit. Das ist das eine. Zum anderen, dass wir im Leben auch Zeiten haben, wo wir fünf grade sein lassen, wo wir Feier haben, wo wir Fest haben. Ich könnte mir vorstellen, wer wirklich in seinem Herzen, in seiner Seele so was wie Fastnacht hat, dass das durchaus so was wie ein Vorgeschmack des Paradieses sein könnte: wo wir keine Rechtfertigung und Erklärung mehr brauchen, sondern wo es einfach gut ist, wie es jetzt ist.

Der Himmel auf Erden, das werden viele Fastnachter bestätigen. In der guten alten ‚Meenzer’ Tradition, dass auch die Oberen ihr Fett wegkriegen und alle gleich sind, sich schunkelnd in den Armen liegen.
Der Mainzer Generalvikar Giebelmann glaubt daran, dass nicht nur auf der Erde, sondern auch im Himmel gelacht wird:

Es gibt in der christlichen Literatur den Begriff, das ist das Lachen der Heiligen, das die Heiligen nicht immer nur Halleluja singen müssen, sondern vor Gott und mit Gott lachen, das stell ich mir so vor, die lachenden Heiligen im Himmel. Und dann feiern die vielleicht sogar Fastnacht.https://www.kirche-im-swr.de/?m=742
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