Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Thanassis wohnt in Koroni, einem zauberhaften Städtchen im Südwesten Griechenlands. Ich hab’ zuerst durch Erzählungen von Thanassis erfahren. Meine Frau und unsere beiden Töchter waren zu Besuch in Koroni und bei ihrem Gang durch das Städtchen trafen sie auf einen alten Mann, der aus dem Fenster seines Häuschens schaute. Er verwickelte sie in ein Gespräch und lud sie zu einem griechischen Kaffee in sein Haus. Na ja, da kann man schon auch ins Grübeln kommen, aber es war ein sympathischer alter Mann, ein gastfreundlicher Grieche und meine Frau und unsere Töchter waren ja zu dritt. Und es war dann auch nur ein ganz netter Kaffeeklatsch, bei dem sich Thanassis wohl gefreut hat wie Bolle, dass er die drei Frauen bei sich zu Gast hatte. Am Ende hatte er aber noch eine Bitte:
Die Mädchen sollten ihm doch eine Postkarte aus Deutschland schreiben. Klar, wurde ihm versprochen, aber zurück in Deutschland natürlich vergessen, wie es eben oft so ist nach dem Urlaub.
Und wie das Schicksal so spielt, waren meine Frau und ich zwei Jahre später mit Freunden in Koroni und landeten wieder vor Thanassis’ Haus. Und wer kommt zur Tür heraus, Thanassis! Er erkannte meine Frau, begrüßte sie herzlich aber beklagte sich auch ziemlich darüber, dass er noch keine Post von den Mädels aus Deutschland bekommen habe. Das war uns natürlich peinlich und als ich zurück in Deutschland war, habe ich dafür gesorgt, dass Thanassis seine Postkarte bekam.
Diesen Herbst war ich dann zum dritten Mal in Koroni und weil es einfach in einer wunderschönen Gegend liegt, kamen wir wieder am Haus von Thanassis vorbei. Diesmal war er nicht da, wer weiß, ob er überhaupt noch lebt. Aber seine Haustür war über und über mit Namen beschrieben. Vornamen, die liebevoll mit verschiedenen Farben ausgemalt waren.
Eine ganze Tür bunt beschrieben mit Vornamen aus aller Welt und oben links die meiner Töchter, Judith und Helen.
Und warum erzähle ich das alles? Weil es bei der Geschichte von Thanassis um Versprechen und das Halten von Versprechen geht. Weil es um Sehnsucht geht, die Sehnsucht nach Gesellschaft und die Sehnsucht danach erinnert, bedacht zu werden. Und auch weil mir die Haustür von Thanassis vorkommt wie ein großer weltlicher Adventskalender. Ein Kalender, bei dem jeder Name ein erfülltes Versprechen ist. Und bei dem jeder Name nicht nur eine Tür bunt gemacht hat, sondern das Leben eines vielleicht einsamen alten Mannes reich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7312
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