Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal ist das Leben wie eine Mauer, finde ich. Eine Mauer, die sich vor einem auftürmt und einem die Sicht nimmt. Unüberwindlich und steil.
Das liegt dann vielleicht an einem Termin, vor dem man sich fürchtet. Ein Arzttermin zur Kontrolle, oder ein Prüfungstermin oder einfach ein schwieriges Gespräch, das man schon lange vor sich her schiebt.
Aber irgendwann lässt sich das Problem eben nicht mehr schieben, sondern ist zu einer Mauer aufgetürmt, die vor einem steht und alles verbaut.
Wie soll ich da rüber kommen, frage ich mich dann. Und je länger ich vor dieser Mauer stehe, desto schwieriger wird es.

In der Bibel heißt es einmal: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ (Ps 18,30). Das klingt erst einmal sehr naiv und zu einfach, finde ich. Was heißt hier mit meinem Gott kann ich über Mauern springen? Hebt Gott mich da etwas rüber? So wie Kinder eine Räuberleiter machen? Oder wie soll ich mir das vorstellen?

Aber nachdem ich kürzlich zwei Kinder gesehen habe, wie sie über Blätterhaufen auf einer großen Wiese gesprungen sind, habe ich den Satz plötzlich anders verstanden:
Vom Springen ist hier die Rede, habe ich da gemerkt. Und Springen, das kann man nicht aus dem Stand. Da muss man ein bisschen zurückgehen und Anlauf nehmen. Zu zweit geht das leichter, habe ich bei den Kindern gesehen. Da kann man sich gegenseitig anfeuern und bejubeln, wenn es geklappt hat.

So ähnlich stelle ich mir das jetzt auch vor, wenn es heißt: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Dass Gott mir hilft, ein paar Schritte zurück zu gehen und Abstand zu gewinnen.
Das passiert manchmal, wenn ich bete. Wenn ich vor Gott ausspreche, was mich beschäftigt. Dann bekomme ich Distanz zu dem, was mich vorher noch so bedrängt hat. Und dann sehen manche Probleme schon ein bisschen anders aus.

Und mit dem Abstand kommt dann auch wieder der Schwung oder der Mut, die Sache anzugehen. Weil ich merke, so schlimm ist es gar nicht. So hoch ist die Mauer überhaupt nicht, wie ich dachte. Und weil ich spüre, ich bin nicht allein. Da hilft mir jemand, den richtigen Anlaufpunkt zu finden.
Das kann dann ganz real sein: Jemand, der mich zum Arzt begleitet oder mich nach der Prüfung abholen will. Oder einfach das Gefühl: andere haben das auch schon geschafft. Warum soll ich es also nicht schaffen?

Und plötzlich liegt die Mauer hinter mir und ich muss lachen, weil sie mir vorher so hoch vorkam.

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