Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie wird Nächstenliebe konkret? Die christlichen Kirchen haben dazu eine Liste sogenannter Werke der Barmherzigkeit entwickelt.
Neben den 7 leiblichen Werken der Barmherzigkeit gibt es die sogenannten 7 geistigen Werke der Barmherzigkeit. Diese sind: Unwissende lehren, Zweifelnden recht raten, Betrübte trösten, Sünder zurechtweisen, Lästige geduldig ertragen, Beleidigern gerne verzeihen, für Lebende und Tote beten.
Für Lebende und Tote zu beten fällt mir relativ leicht. Dagegen fordert mich „Lästige geduldig ertragen“ und „Beleidigern gerne verzeihen“ weitaus mehr.
Doch echte Schwierigkeiten habe ich mit: „Sünder zurechtweisen“. Das klingt zunächst furchtbar moralisch und nach einer Pädagogik des erhobenen Zeigefingers. Wer mag das schon?
Mir hilft dabei, mir bewusst zu machen, was Sünde ist: Getrenntsein von Gott,
Abgeschnittensein vom Leben bzw. sich selber davon abschneiden. Gegen das Leben leben oder lieblos gegenüber sich selbst und anderen sein.
Sünder zurechtweisen, das meint dann: jemand darauf aufmerksam machen, worin er sich selbst und anderen schadet. Das muss je nach Tonlage überhaupt nicht moralisch klingen. Es kann unbequem werden – vor allem für den, der sich ein Herz fasst. Aber wenn mir jemand was bedeutet, dann mag das fast so was wie ein Liebesbeweis sein, wenn ich ihn nicht weiter ins Elend laufen lasse. Wenn ich mir ein Herz fasse, und ihn auf Missstände hinweise.
Dieses „Sünder zurechtweisen“ passt für mich gut zum heutigen Buß- und Bettag. Ein Tag an dem es darum geht Innezuhalten. Zu schauen wo steh ich gerade, wie ist mein Leben, bedarf es einer Kurskorrektur oder ist es gut so für mich und andere, wie ich lebe? Wo möchte ich mich korrigieren. Buße tun?
Wenn Christen von Buße sprechen, dann geht es nicht um Bußgeld als Form von Wiedergutmachung und auch nicht um selbstquälerische Unterwerfungsübungen sondern vielmehr um eine Haltung. Um Selbstbesinnung und eine Bereitschaft zur Veränderung.
An manchen Orten nützen die Kirchen diesen Tag, um öffentlich auf soziale Missstände hinzuweisen. Strukturelle Sünden – lebensfeindliche Strukturen aufzudecken. Es finden ökumenische Veranstaltungen statt. Friedensgebete, Mahnwachen, Vorträge und Informationsveranstaltungen zu sozial-politisch brisanten Themen.
Müssen die Kirchen sich da einmischen?
Ich meine ja. Zumindest solange sie sich der Botschaft Jesu Christi verpflichtet fühlen, sollten sie – sollten wir die Welt ins Gebet nehmen. Und das in doppeltem Sinne.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7166
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