Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heimat. - Wer noch vor einigen Jahren etwas zum Thema „Heimat“ gesagt hat, galt von vorn herein als verdächtig. Heimat schien ausschließlich ein Thema der Gestrigen und Ewiggestrigen zu sein. Das hat sich inzwischen gründlich geändert – auch in Deutschland. 2004 stand Heimat auf Platz vier der beliebtesten Worte. Es scheint Heimatbedarf zu geben. Und das liegt gewiss mit daran, dass die Lebensräume größer und kälter geworden sind. Stichwort: Globale Wirtschaft oder das Großgebilde EU. Was fehlt, ist Nähe und Überschaubarkeit. Dazu kommt: Viele, die Arbeit suchen, müssen ihren Wohnort verlassen und der Arbeit hinterher ziehen. Ein neues Nomadenzeitalter scheint angebrochen zu sein. Die klassischen Heimaten haben sich total verändert: Die alte Dorflinde steht nicht mehr, die Backhäuser sind abgerissen, die Tante-Emma-Läden haben längst geschlossen. Nicht zuletzt haben viele auch ihre religiöse Heimat verloren und können sie somit nicht mehr an ihre Kinder weitergeben. Andererseits scheinen viele Heimat wieder zu entdecken als Teil eines lebenswerten Lebens. Man pflegt den Dialekt wieder. Ich selbst bin Mitglied des „Fördervereins Schwäbischer Dialekt“ in Tübingen. Man gräbt in Archiven nach Zeugnissen von früher. Bei Heimatfesten und auf Weihnachtsmärkten wird sogar versucht, mittelalterliche Lebensformen wieder zu entdecken. Und dass man die Schwarzwaldbahn zwischen Karlsruhe und Konstanz neu belebt hat – auch das hat mit Heimat zu tun. Heimat ist für viele das neu gewonnene Gefühl, zu wissen, wo man hingehört, wo man selbstverständlich sein kann. Heimat: Was mich prägt, wo mein Herz zuhause ist. Heimat: Eine Arbeit, die ich gerne tue. Eine Wohnung, in der ich mich wohlfühle. Heimat: Wo ich angenommen bin und mich geborgen weiß. Wo ich Freunde habe und bei mir selber bin. Und viele suchen noch immer nach einer spirituellen, nach einer religiösen Heimat. In einem Kirchenlied heißt es: „Wir sind nur Gast auf Erden.“ (Gotteslob 656) Bei allem neuen Heimatbewusstsein – eine letzte Heimat kann es in dieser Welt nicht geben. Ich glaube, wir brauchen beides: Eine irdische Heimat und die Ahnung einer letzten, endgültigen Heimat. Zum Weiterlesen empfohlen: Klaus Hofmeister, Lothar Bauerochse (Hg.), Wissen, wo man hingehört – Heimat als neues Lebensgefühl, Echter Verlag 2006 https://www.kirche-im-swr.de/?m=714
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