Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Brauche ich Religion? Oder lässt es sich auch gut ohne sie leben? – Ausgesprochen oder unausgesprochen fragen das Viele. Ich möchte mich für Glaube und Religion aussprechen und das am Beispiel der Liebe erläutern. Warte ich, bis mir ein Mensch klar beweist, dass er mich liebt. Warte ich, bis ich sichere Zeichen der Liebe erhalte. -dann werde ich wohl vergeblich warten. Ich muss schon einen Vorschuss an Vertrauen signalisieren; ausloten ob ich jemand für „liebesfähig“ und mich selbst für „liebenswürdig“ halte. „Ohne den ungesicherten Sprung in die Liebe entsteht sie nicht.“ Das sagt der Soziologe Hans Joas. Ich glaube, so ist es auch mit der Religion. Stelle ich mich auf den Standpunkt: Ich glaube nur, was ich beweisen kann. Ich glaube nur, was ich sehe, was ich im Alltag erfahre – dann wird das nichts mit dem Glauben. Dann verschließe ich mich davor, andere, neue Erfahrungen zu machen. Und noch etwas: Ich möchte der Hoffnung den Vorzug geben vor der Angst. Ich möchte dem Vertrauen den Vorzug geben vor dem Misstrauen. Ich setze mit einem vernünftigen Vertrauen auf Gott gegen Null und Nichts. – Ich bin überzeugt: Meine Bereitschaft zu glauben macht bestimmte Erfahrungen erst möglich. Gewiss kenne ich Glaubenszweifel. Und ich vermute, Sie auch. Wir tun schwer damit, sogenannte Glaubenswahrheiten zu wiederholen, nur weil irgendwelche geistliche Autoritäten diese vorgesagt haben. Wir haben gelernt, uns des eigenen Verstandes zu bedienen – Gott sei Dank. Auf der anderen Seite ist unser Denken zwiespältig, begrenzt, einseitig. So möchte ich mich nicht hinter meinen Zweifeln verschanzen, sondern offen bleiben für neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Und ich vertraue darauf, dass ich mit einem vorsichtig-offenen Ja dem Glauben näher komme als mit einem kategorischen Nein. Und was ist das für ein Glaube? – Für mich ist das kein Glaube, der einfach wiederholt, was andere vorgesagt haben. Ich verstehe darunter einen Glauben, der mich in eine tiefe Gottverbundenheit hineinführen möchte – wenn es mir gelingt, mich dafür zu öffnen. Ich verstehe darunter auch einen Glauben, der mein Leben erneuern will – hin zu mehr Freiheit, Toleranz und Liebe. https://www.kirche-im-swr.de/?m=712
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