Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Hoffnung ist das einzige Gut, das allen Menschen gemeinsam ist; selbst diejenigen, die nichts besitzen, besitzen noch Hoffnung.“ Der griechische Philosoph Thales von Milet hat das 600 Jahre vor Christus gesagt. Was das bedeutet, ist mir aufgegangen, als ich einen Bericht gelesen habe über die Verfolgung von Christen im ostindischen Bundesstaat Orissa durch fanatische Hindus. * Viele Christen sind dort in letzter Zeit ermordet worden. Wie Tausende christliche Familien floh auch ein Ehepaar mit seinen vier Kindern zunächst in den Dschungel, später in ein Lager der Regierung, schließlich fanden sie Zuflucht in einem christlichen Hilfslager. Die Familie lebt in erbärmlichen Verhältnissen. Der Vater darf keine Arbeit annehmen, die Kinder können nicht zur Schule gehen. Ständig werden sie bedroht und müssen Tag für Tag um ihr Leben fürchten. An eine Rückkehr in ihr Dorf ist nicht zu denken. Sie werden bis heute von Hindu-Fundamentalisten daran gehindert, es sei denn, sie wechseln zu deren Religion Doch die Familie will lieber im Flüchtlingslager leben, als ihren christlichen Glauben aufgeben. Die Mutter hat einem Journalisten gegenüber gesagt: „Wir können nicht einfach die Hoffnung aufgeben, die uns der christliche Glaube gibt, nur um bequemer leben zu können.“ – Eine solche Einstellung kann ich nur bewundern. Und so habe ich ein Stück weit verstanden, was hinter dem Satz des griechischen Philosophen Tahles von Milet steckt: „Hoffnung ist das einzige Gut, das allen Menschen gemeinsam ist; selbst diejenigen, die nichts besitzen, besitzen noch Hoffnung.“ Der Apostel Paulus hat diesen Gedanken noch vertieft – im Blick auf den Glaubensvater Abraham: „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt.“ (Römer 4,18) Auf Bitten Gottes war er aus seiner Heimat aufgebrochen – ins Ungewisse. Mit der Familie, mit allem Hab und Gut. Abraham wusste nicht, was ihn erwarten würde. Aber er ging, im Vertrauen auf Gott. Jene christliche Familie in Indien hat das bei aller Bedrohung und ohne etwas zu besitzen für sich verwirklicht.* Katholisches

Sonntagsblatt, Das Magazin für die Diözese Rottenburg-Stuttgart, Nr. 36, 6. September 2009, S. 18-19
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7039
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