Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Was habe ich bloß getan? Wofür werde ich bestraft?“ - Immer wieder begegne ich Menschen, die sich Fragen stellen wie diese. Bei ihnen spüre ich oft Angst. Eine Angst vor Gott. Ich halte die Angst vor Gott für eine der schlimmsten aller Ängste. Und da hat die Kirche in der Vergangenheit fleißig mitgeschürt. Die Älteren unter uns können davon ein Lied singen und sicher kein fröhliches. Was für eine rabenschwarze Pädagogik der Angst steckt hinter einem Satz wie diesem: „Gott ist gerecht, weil er das Gute belohnt und das Böse bestraft, wie es ein jeder verdient.“ – Er steht in einem Katechismus, in einem Glaubenslehrbuch der katholischen Kirche. Ich möchte nicht daran denken, wie viele Menschen durch solche Botschaften Gott mehr gefürchtet haben, als dass sie ihn geliebt haben. Und wie viele Menschen gestorben sind mit dem entsetzlichen Gefühl, einem strafenden Gott in die Hände zu fallen. Was ist schief gegangen, wenn Menschen im Glauben nicht Trost und Halt finden, sondern Angst? Wer könnte ein Interesse daran haben, aus dem liebenden Schöpfergott einen furchterregenden Strafrichter zu machen? Vielleicht wollte so manche Obrigkeit Macht ausüben und die Gläubigen zu Gehorsam verpflichten. Doch all diese Drohbotschaften und die daraus folgenden Ängste stehen in direktem Widerspruch zur Botschaft Jesu. Mit geradezu revolutionärer Kühnheit hat Jesus Schluss gemacht mit einem Gottesbild, das Angst macht. In Jesu Gottesbild ist nichts mehr, was Menschen bedroht und lähmt oder Schrecken verbreitet. Wie ich Jesus verstehe, ist für ihn Gott eindeutig und bedingungslos Liebe, Liebe ohne Schatten. So hat Jesus seinen Gott erfahren. Das hat er gelehrt, in dem, was er gesagt und getan hat und wie er mit den Menschen umgegangen ist. Mit seiner neuen Gotteserfahrung wollte Jesus für immer die schlimmste und folgenschwerste Angst aus den Herzen der Menschen nehmen, die Angst vor Gott. Ich möchte es mir immer wieder von Jesus sagen lassen – auch in schweren Zeiten: Fürchte dich nicht! Hab keine Angst! Ich bin bei dir! So mancher könnte hier fragen: Ist ein solches Gottvertrauen nicht naiv, angesichts der Welt und der Religionen wie sie nun mal sind? Ja, das kann man sehr wohl fragen, aber trotzdem: Bei allem, was mir unbegreiflich bleibt und was ich an Gott nicht verstehe, möchte ich doch dem Gott vertrauen, den ich durch Jesus kennengelernt habe und durch die, die ihm glaubhaft nachgefolgt sind. Er gibt mir die Hoffnung, dass wir nicht ins Bodenlose fallen, dass nicht alles sinnlos ist, sondern dass wir in Gott letztendlich gut aufgehoben und geborgen sind – in seiner neuen Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7037
weiterlesen...