Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Toten gedenken – das ist tief in unserem Leben verwurzelt. Es verbinden sich damit Liebe und Dankbarkeit, gute und schmerzliche Erinnerungen, Hoffnung und nicht zuletzt das Bedenken des eigenen Todes. Allerseelen ist daher für viele ein kostbarer Tag geworden. Unsere landläufigen Vorstellungen von „Seele“ stammen aus der antiken Gedankenwelt. Da wird streng unterschieden zwischen Seele und Leib. Sie werden als Gegensätze verstanden, wobei die Leiblichkeit immer den kürzeren zieht. Das führte im Lauf der Geschichte zu Leibverachtung. Auch das Christentum verfiel auf weiten Strecken solchen Tendenzen, obwohl es aus ganz anderen Quellen schöpfen könnte und müsste. Folgt man der Bibel, dann gibt es keine Trennung von Leib und Seele. In der Sprache des Alten Testaments, dem Hebräischen, bedeutet Seele: Atem, Lebenskraft. Seele heißt: Lebewesen, Atemwesen – und meint den ganzen, lebendigen, leibhaftigen Menschen. Seele ist nach biblischem Verständnis kein Teil des Menschen. Der Mensch hat zu keiner Zeit einen seelen-losen Leib, aber auch keine leib-lose Seele. Er besteht nicht aus Leib „und“ Seele. Er ist Leib, und er ist Seele. Untrennbar. Das gilt nach christlichem Glauben auch dann, wenn jemand stirbt. Dieser Glaube sagt: Als leibhaftiger, lebendiger Mensch dürfen wir nach unserem Tod zu Gott, in seine Nähe, in unser endgültiges Zuhause. Allerdings in neuer, gewandelter Gestalt. Danach sind wir in alle Ewigkeit keine Seelen oder Engel, sondern Menschen, jeder mit seiner ganzen Lebensgeschichte. Mit Freud und Leid, mit Erfolgen und Verwundungen, mit allem, was ich erlebt, erhofft, aber auch nicht verstanden habe. – Dass es geschieht, dürfen wir hoffen. Wie es geschieht ist Sache Gottes und entzieht sich jeder Erfahrung und Spekulation. Sehr persönlich gehalten klingt diese Zuversicht bei dem Theolgen Dietrich Bonhoeffer:
„Wir treten aus dem Schatten bald in ein helles Licht. Wir treten durch den Vorhang vor Gottes Angesicht. Wir legen ab die Bürde, das müde Erdenkleid; Sind fertig mit den Sorgen und mit dem letzten Leid. Wir treten aus dem Dunkeln nun in ein helles Licht. Warum wir’s Sterben nennen? Ich weiss es nicht.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7034
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