Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Hinterher wird abgelästert. Vielleicht kennen Sie das. Es passiert auf der Heimfahrt vom Familientreffen, beim Bier nach dem Fußballtraining, auf dem Schulhof und inzwischen auch im Internet: Es wird abgelästert über die anderen. Die Deutschlehrerin – was die neuerdings für eine Brille aufhat: irgendwie muss sie ja zeigen, dass sie studiert hat. Der alte Onkel: wenn der bloß endlich aufhören würde, vom Soldatenleben zu erzählen – anscheinend hat er nichts gelernt seit damals. Und die Kollegin, die wieder mal zuviel geredet hat – wer nichts zu sagen hat, muss halt viel reden.
Hinterher wird abgelästert. Aber das braucht man manchmal einfach um sich abzureagieren, sagen Sie jetzt vielleicht, das macht Spaß und schadet doch eigentlich keinem, denn es hört ja niemand?
Ich denke da inzwischen anders. Ich habe gemerkt, dass es doch jemandem schadet, egal, ob es die Betroffenen hören oder nicht. Über andere ablästern schadet mir selbst, denn es bleibt immer was hängen davon. Und zwar vor allem an mir und in mir. Was ich über den anderen sage, auch wenn es zuerst nur als Spaß oder jedenfalls doch gar nicht so böse gemeint war – mit der Zeit denke ich wirklich so über die anderen, wie ich über sie geredet habe: überheblich und besserwisserisch, selbstgerecht und zynisch.
In der Bibel wird dieser Zusammenhang von reden und denken mit einem Schiff verglichen. Ein Lehrer der ersten Christen vergleicht die Zunge mit dem Steuer und schreibt in einem Brief: „Schiffe sind groß und werden von starken Wellen getrieben, aber sie werden mit dem kleinen Steuer dahin gelenkt, wo der Steuermann hin will.“ (Jak 3, 4). Die Zunge ist so ein kleines Steuer für den ganzen Menschen. Wie man redet, über seine Pläne, über seine Erfahrungen, vor allem aber über andere Menschen - wie man redet, das prägt am Ende auch das eigene Denken. Wenn ich oft genug: Die dumme Kuh! über eine Kollegin gesagt habe – dann kann ich wirklich nicht mehr sehen, wie sie mir schon ein paar mal aus der Patsche geholfen hat. Und wenn ich oft genug „so ein eingebildeter Pinsel“ über den Kollegen gesagt habe, dann sehe ich nicht mehr, wie geistreich und gescheit er eigentlich ist.
Wie man über Menschen redet, so denkt man am Ende auch über sie. Deshalb heißt das 8. Gebot: „Du sollst nicht falsch über deinen Nächsten aussagen“. Und Martin Luther hat das so erklärt: „Wir sollen …unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren“. Ich glaube, das ist besser als ablästern. Besser für die anderen – und für mich auch.
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