Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ist das noch mein Kind?“ Das fragen sich manchmal besorgte Eltern, wenn ihr Kind in die Pubertät gekommen ist. Das fragen sich völlig geschockte Eltern, wenn ihr Kind zum Amokläufer geworden ist.
Warum denn jetzt das Thema Amoklauf wenn’s um die Pubertät geht?
Weil das durchschnittliche Alter von Amokläufern an Schulen 16 Jahre ist. Und weil die Täter in Deutschland bisher ausnahmslos männliche Heranwachsende im Alter von 16 bis 19 Jahren waren. Also mehr oder weniger Pubertierende. Natürlich wird nicht jeder junge Mann mit Pubertätsproblemen zum Amokläufer, da müssen noch viele andere Probleme hinzu kommen. Aber wenn man sich Gedanken über die Gründe und Hintergründe der immer häufigeren Amokläufe an Schulen macht, kommt man an den pubertierenden Jungs nicht vorbei.
Es ist ja auch ein furchtbar schwieriges Alter. Die Hormone spielen verrückt, der Körper und die Welt verändern sich, die Pickel sprießen, die Clique wird zum Bewährungsort. Erfolge oder Misserfolge bei den Mädels gehen bis ins Mark. Und die Gefühle fahren Achterbahn zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.
Bei all dem fühlen sich die Jungs oft sehr allein und sie werden oft auch ziemlich allein gelassen. Es gab eine Zeit, da gab es Mädchenförderung, weil sie gegenüber Jungs scheinbar benachteiligt waren. Ich denke jetzt ist es an der Zeit, Jungenförderung einzuführen, und zwar für die Pubertierenden.
Weil der Druck auf sie immer größer wird und weil sie nicht die psychosozialen Techniken haben so gesund damit umzugehen wie die Mädchen. Weil die Kluft zwischen den medial vorgeführten Idealen und ihrer Realität immer größer wird. Weil die Rückzugsmöglichkeiten für scheue und schwächliche Jungs in virtuelle Welten zu groß und zu einflussreich geworden sind. Weil die Aggressivität der pubertierenden Jungs immer explosiver wird. Und weil den pubertierenden Jungs zu oft die Väter fehlen. Als Vorbilder und Gegenbilder an denen sie sich reiben und ihre Identität bilden können. Denn nicht in virtuellen Welten entwickeln sich selbstbewusste und belastbare Männer, sondern in Auseinandersetzungen mit reellen Menschen. Menschen die Zeit haben für sie und sie ernst nehmen mit all ihren Stärken und Schwächen.
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