Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Du Opfer“ – ein Schimpfwort aus der Jugendsprache. Dieses Wort bringt es so knapp wie verächtlich auf den Punkt, wenn Schwächere öffentlich gedemütigt werden. Alltag auf den Schulhöfen Deutschlands. Laut einer Studie wird fast jeder dritte Schüler von Klassenkameraden gemobbt. Körperliche Gewalt auf dem Schulhof hat fast jeder zehnte Schüler erlitten. Es sind aber nicht nur die Jungs, die seelische und körperliche Gewalt ausüben oder erfahren. Mädchen machen das subtiler, weniger körperlich, dafür aber seelisch brutaler.
Erfurt vor 7 Jahren, Winnenden vor 7 Monaten und Ansbach vor knapp 5 Wochen. Amokläufe an Schulen gibt es leider immer öfter in Deutschland. Sogenannte Amokläufe. Amok ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn Amokläufer schießen oder stechen in wilder Raserei um sich. Amokläufer in Schulen gehen aber geplant, gezielt und emotional kalt vor, wenn sie töten. Und es sind nicht die aggressiv Auffälligen, sondern die Stillen, Unscheinbaren und nicht selten eben auch „Opfer“. Opfer von Ausgrenzungen, Enttäuschungen oder Demütigungen in der Schule. Sei es durch Mobbing oder durch den immer größeren Leistungsdruck. Natürlich wird nicht jedes Mobbingopfer oder jeder schulisch Frustrierte gleich zum Amokläufer, da muss noch viel mehr schief laufen. Aber die Schulen sind Verdichtungsorte von Frustrationen und Demütigungen junger Menschen. Darum finden die Explosionen von Jugendseelen ja auch in den Schulen statt. Und Opfer, im wahrsten Sinne des Wortes sind dann die Gegenbilder der tödlich Frustrierten. Die sozial oder sportlich erfolgreichen Schüler, die schönen oder beliebten Schülerinnen - oder die Lehrer. Nach den Amokläufen sind die Debatten und die Betroffenheiten immer groß. Aber die Zeit zwischen den Amokläufen ist die Zeit sie zu verhindern. Durch größere Sensibilität für die Stillen und mehr Einfühlungsvermögen für die Schwachen. Durch größere Aufmerksamkeit für Auffälligkeiten. Und durch Hinsehen und Eingreifen, wenn es nötig ist. Damit ein soziales Klima an Schulen entsteht, in denen Schimpfworte wie „Opfer“ nicht mal mehr denkbar sind.
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