Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kinder und Jugendliche sind einfach nicht mehr das, was sie mal waren. Das sagen viele. Keine Manieren, unhöflich und vor allem: laut. Das kann einem den Sonntagnachmittag auf der Terrasse ja auch wirklich verderben, wenn in der Nachbarschaft die Post abgeht und sich eine Kinderhorde draußen anschickt, einen neuen Dezibelrekord aufzustellen. Wozu, fragen sich viele, gibt’s schließlich Sport- und Spielplätze? Und ehrlich gesagt: wenn’s nicht grade meine eigenen sind, geht mir der Lärm auch manchmal auf die Nerven.

Aber war ich tatsächlich anders damals als Kind? Könnte es nicht vielleicht sein, dass nicht nur die Jugend von heute, sondern auch wir Erwachsenen von heute sozusagen nicht mehr das sind, was wir mal waren?

Ich erinnere mich: als Kinder haben mein Freund und ich immer auf der Wiese eines Nachbarn Fußball gespielt. Da hatte es zwei Bäume, die sich prima als Tor geeignet haben. Unser Nachbar hat uns nie vertrieben, obwohl sein Rasen sicher sehr gelitten hat. Würde das heute in meinem Garten passieren, ich würde die Fußballspieler hochkant rausschmeißen. Ein anderer Jugendlicher aus unserer Straße hat damals kräftig Schlagzeug geübt, was nie jemanden gestört hat. Und obwohl wir Kinder jeden Nachmittag auf der Straße unterwegs und dabei ganz sicher nicht leise waren, kann ich mich nicht erinnern, dass sich jemals ein Erwachsener über den Lärm beschwert hat.

Woran liegt’s? Vielleicht daran, dass Kinderlärm selten geworden ist. In manchem Wohngebiet ist das lauteste, was man samstagnachmittags zu hören bekommt, das Zwitschern der Vögel und ab und zu das Rattern eines Rasenmähers. Kinder sind die Ausnahme geworden, etwas Besonderes und damit eben auch etwas besonders Störendes. Dabei sollten wir Erwachsenen uns, denke ich, über Kinder, die draußen spielen, freuen. Nicht nur aus demografischen Gründen und weil sie mal unsere Rente bezahlen. Ich kann doch nicht im Ernst denen zustimmen, die sagen: „Fernsehen und Computerspiele machen dumm, dick und traurig“ und mich gleichzeitig darüber aufregen, dass Kinder auf der Straße toben.

Vielleicht täte es uns gut, uns wieder mehr als Gemeinschaft zu sehen. Als Gemeinschaft, die aus Alten und Jungen besteht und die zusammengehört. Das schließt allerdings auch die Rücksichtnahme der Jungen gegenüber den Älteren mit ein. Für meinen eigenen Nachwuchs gilt jedenfalls: In der Mittagspause und spät am Abend herrscht Ruhe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6924
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