Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Franziska ist 20. Wie viele junge Menschen hat sie sich entschieden nach dem Abitur erst einmal ein freiwilliges soziales Jahr zu machen. Letztes Jahr um diese Zeit ist sie nach Afrika aufgebrochen. In einem kleinen Dorf hat sie in einer Krankenstation mitgearbeitet und an einer Schule unterrichtet. Zum ersten Mal war sie ganz allein auf einem fremden Kontinent, in dem Dorf als einzige Weiße, ohne all die selbstverständlichen Vorzüge, die sie hier hatte. Sie hat für mich unvorstellbar anders gelebt und sich in all dem neuen zurechtgefunden. Am Anfang hat sie oft Heimweh gehabt, auch viel geweint, sich gefragt, warum sie überhaupt da ist. Aus der Ferne habe ich immer wieder durch Rundbriefe oder Telefonate mitbekommen wie sie sich durchkämpft: wenn sie krank war und sich alleine darum kümmern musste, wieder gesund zu werden. Wie sie gelernt hat, ihre ganze Wäsche von Hand zu waschen oder sich daran gewöhnt hat immer kalt zu duschen. Trotzdem ist es für sie nicht in Frage gekommen, aufzugeben. Sie hat das Land und die Menschen dort lieben gelernt. Die Lebensfreude der Afrikaner ohne all den materiellen Reichtum hat sie angesteckt; sie hat den Alltag ohne Stress und Hektik genossen. In ihrem letzten Rundbrief vor ihrem Abflug nach Deutschland hat sie geschrieben: „Ich bin sehr dankbar für das Jahr, das ich hier verbringen durfte. Rückblickend kann ich sagen, dass dieses Jahr das wohl schwerste und anstrengendste meines bisherigen Lebens war, aber gleichzeitig auch das beste und wertvollste!“

Dieses ehrliche Résümé hat mich beeindruckt. Franziska hat Glück, dass sie das so schon als junge Frau erlebt. Schwer und anstrengend wünscht sich das Leben keiner. Trotzdem bleibt kaum einem erspart, schwierige Zeiten auszuhalten und durchzustehen. Das erlebt auch, wer nicht zu einem solchen Abenteuer aufbricht. Viel Mut und Kraft brauchen Menschen hier bei uns, die arbeitslos oder krank sind. Menschen, die unlösbare Konflikte aushalten oder sich nach einer zerbrochenen Beziehung wieder neu orientieren müssen. Sich dann nicht aufzugeben ist ein Segen.
Zu erleben, dass gut und wertvoll ist, was aus schwierigen Lebenssituationen erwächst, gehört zu den Kostbarkeiten, die einem keiner mehr wegnehmen kann.
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