Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Vielleicht führt Ihr Weg heute am Samstag über den Wertstoffhof. Das hat ja gedauert, bis wir endlich begriffen haben, den Abfall zu sortieren und seine Wertstoffe wieder zu verwenden.
In manchen meiner Beratungs- und Beichtgespräche türmen Menschen haufenweise vor mir auf, was sie für Abfall halten: Eine geschrottete Beziehung, ihre Lieblosigkeit, Gemeinheiten im Umgang miteinander. Aber auch Schicksalsschläge und all die Widerwärtigkeiten, die das Leben für uns bereit hält. Und ich komme mir vor wie ein Müllwerker – und das ist keineswegs despektierlich gemeint! Gemeinsam stochern wird dann in diesem Haufen herum und suchen nach „Wertstoffen“, die wieder verwertbar sind. Meistens werden wir fündig:
Da stößt man auf die Goldader einer gescheiterten Ehe, Spuren-Elemente der Liebe, die damals unser Leben verwandelt haben. Diese Kostbarkeit sollte nicht einfach in der Enttäuschung und im Schmerz der Trennung verloren gehen.
Da hat einem der Tod eines lieben Menschen das Bild des angeblich so gütigen Gottes verdüstert oder gar zerschlagen. Aber leben wir seitdem nicht viel bewusster, wissend um unsere eigene Sterblichkeit und dankbar für das Geschenk eines jeden neuen Tages? Vielleicht begegnen wir Gott nun neu und ganz anders?
Immer wieder staune ich, dass Kranke sogar ihrer Krankheit eine tiefere Bedeutung abgewinnen können. Sie haben unter Schmerzen und schweren Einschränkungen ihr Leben neu gewichtet, sie achten nun mehr auf sich selbst und verstehen die leisen Signale ihrer Seele und ihres Körpers. Ihr Leben hat an Wert gewonnen.
Eine Angestellte, die fast an den Folgen von Mobbing zerbrochen war, ist wehrhafter geworden, hat gelernt, sich abzugrenzen, aber auch, sich intensiver und verständnisvoller auf ihre Kolleginnen einzulassen.
Solche Erfahrungen sind wertvoll, wir können sie wie Wertstoffe wieder verwenden und einbauen in die tragenden Säulen unseres Lebenshauses. Es wird dadurch an Stabilität gewinnen. Es lohnt sich also, schmerzliche Ereignisse, ja auch Schuld und Versagen gründlich aufzuarbeiten und den Müll zu sortieren. Ganz im Sinne des Apostels Paulus, der uns rät: „Prüft alles, das Gute behaltet“ (1. Thessalonicher 5,21).
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6777
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