Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Mitten in der dramatischen Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich 23 Frauen und Männer zu Wort gemeldet, die – wie sie selber sagen - „durch Erbschaft, Arbeit oder erfolgreiches Unternehmertum zu Vermögen gekommen“ sind. Nein – sie fordern keine weiteren Steuererleichterungen, sondern eine auf zwei Jahre befristete Vermögensabgabe von fünf Prozent und danach die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Man reibt sich verwundert die Augen. Aber die Unterzeichner dieses Appells betonen ausdrücklich, sie seien „keine naiven Spinner“. Sie fürchteten vielmehr, dass „jene die Zeche bezahlen müssen, die weder diese Krise verursacht noch von ihr profitiert hätten...“
Solche Töne lassen aufhorchen. Nur schade, dass die Politik dieses leise Signal nicht auffängt und verstärkt. Keinem der Vermögenden täte eine solche Abgabe jenseits üppiger Freibeträge wirklich weh, aber sie würde satte 25 Milliarden Euro pro Jahr in die maroden Staatskassen spülen. Statt die großen Vermögen geringfügig zu belasten, lockt man im Wahlkampf lieber mit dubiosen Steuergeschenken, um danach womöglich die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Das wäre ein weiterer, schwerer Schlag ins Kontor der Einkommensschwachen.
Das Steuersystem in Deutschland belastet überwiegend den Konsum, die Arbeit und den Mittelstand. Der private Reichtum aber wird geschont. Die Einnahmen aus Grund- und Vermögenssteuer, Schenkungs- und Erbschaftssteuer erbringen grade mal 0, 9 Prozent der Steuereinnahmen. Steuern sind, wie der Name schon sagt, ein Steuerungsinstrument. Wir sollten zum Wohle aller hinsteuern auf mehr soziale Gerechtigkeit!
Die biblische Botschaft lässt keinen Zweifel: In einer intakten Gesellschaft muss die Kluft zwischen Arm und Reich überwunden werden. Wo dies nicht aus freien Stücken geschieht, wird Gott selbst diesem Unrecht ein Ende setzen: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden erfüllt er mit Gütern, die Reichen lässt er leer ausgehen“, so singt das jüdische Mädchen Mirjam, die Mutter Jesu, in ihrem revolutionären Lied, das in der Kirche täglich gebetet wird (Lukas 1).
Soweit muss es gar nicht erst kommen, dass die Reichen vor Gott „leer ausgehen“. Sie sollten nur wie diese 23 vermögenden Leute einen Teil ihres Reichtums teilen. Ich bin mir sicher: Sie würden das mit Zins und Zinseszins honoriert bekommen, nämlich durch Anerkennung und Hochschätzung. Die andern aber muss man um der Gerechtigkeit willen per Gesetz zur Kasse bitten.


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