Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und är-gern ihre Lehrer.“ Das sagt keine überforderte Mutter unserer Tage, kein entnervter Lehrer und auch nicht die Super-Nanny aus dem Fernsehen. Über tyrannische Kinder hat sich vor über 2000 Jahren schon der griechische Philosoph Sokrates geärgert.
Viele Eltern werden ihn verstehen. Sie denken zum Schuljahresbeginn mit Grausen an den Kampf um die Hausaufgaben, an Elternabende auf denen sich die Lehrer beklagen und an endlose Diskussionen darüber, wann die Kids denn zu Hause sein sollen.
Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff hat einen Rat für Eltern, die nicht recht wissen, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen. Es geht nicht um die richtigen Tricks in der Erziehung, sagt er. Es geht darum, zu begreifen, dass Kinder wirklich Kinder sind. Kinder – und keine kleinen Erwachsenen. Sie wachsen nicht aus sich selbst heraus. Sie sind noch gar nicht in der Lage, alles selbst zu erkennen und zu entscheiden. Sie können nur wachsen und gedeihen, wenn sie dazu Anleitung haben: Eltern und Lehrer, an denen sie sich orientieren können. Sie können nur Sicherheit im Umgang mit anderen entwickeln, wenn sie dafür Vorbilder haben. Vorbilder, von denen sie sich vielleicht auch irgendwann verabschieden, und es anders machen. Aber zuerst einmal brauchen sie Menschen, die ihnen zeigen, was ihnen wichtig ist und was sie richtig finden. Dann können die Kinder irgendwann entscheiden, ob sie das so beibehalten wollen, oder es ganz anders machen.
Und noch etwas findet der Kinderpsychologe wichtig in der Erziehung. Eltern sollten ihre Kinder nicht als ihr eigenes Spiegelbild betrachten. Die schulischen Leistungen sind nicht die Messlatte dafür, ob sie gute Eltern sind. Es geht vielmehr darum, dass das Kind sich mit seinen Begabungen entfalten kann. Und es ist gut möglich, dass ein Junge gut ist im Gedichte schreiben, auch wenn sein Vater lie-ber einen tollen Sportler gehabt hätte. Und ein Mädchen interessiert sich für Technik oder Gartenbau, dabei hätten die Eltern gern, dass sie Rechtsanwältin wird oder zur Bank geht.
Mein Kind ist nicht das Spiegelbild meiner Bemühungen als Mutter. Es ist ein Bild Gottes. Es wird eine ganz eigene Persönlichkeit werden. Aber dazu braucht es Ermutigung und Anleitung, manchmal auch Korrekturen und Grenzen. Damit es nicht aus Unsicherheit zum Tyrannen wird, der alle in Angst und Schrecken versetzt. Sondern ein ganz eigenes, wunderbares Bild von Gott.


Cf dazu Gemeindeblatt THEMA „Kinder, Kinder“, 1 Exemplar 4,00 Euro, Staffelpreise,
E-Mail: vertrieb@evanggemeindeblatt.de
Oder: Michael Winterhoff, Tyrannen müssen nicht sein. Warum Erziehung allein nicht reicht – Auswe-ge. Gütersloh, 2009, 17, 95 Euro

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6750
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