Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das Christentum hat sich in seinen Anfängen außerordentlich schnell ausgebreitet. Man weiß zwar nicht genau, was sich damals alles abgespielt hat. Doch eine Erklärung scheint für die Erfolgsgeschichte des frühen Christentums sicher: Es waren die engen sozialen Netze der ersten Christen und ihre Wohltätigkeit, die es in der heidnischen Antike nicht gegeben hat. Die Christen sorgten für Alte und Kranke, sie kümmerten sich darum, dass die Toten würdig bestattet wurden. Das ist für uns selbstverständlich, war aber für die Antike revolutionär. Erst mit den Christen sind Mitleid, Barmherzigkeit und Nächstenliebe salonfähig geworden. Das geht zurück auf Jesus. Für ihn sind nicht die Fragen entscheidend, wer Leid, Krankheit und Tod verursacht hat. Wichtig ist für Jesus das Mitleiden. Und wie ich Jesus verstehe, gibt es für ihn kein dringlicheres Gebot als das: Leiden zu heilen oder wenigstens zu lindern. Ihm geht es darum, alle heilsamen und heilenden Kräfte zu mobilisieren, die es gibt – vor allem die Liebe. Für ihn ist es allein die Liebe, die die vielfältigen Zumutungen des Lebens erträglich macht und aushalten lässt. Aus diesen Anfängen haben sich höchste Werte entwickelt: die Würde und Freiheit des Menschen, Menschenrechte, Toleranz und Solidarität. Diese Werte sind alles andere als selbstverständlich. Die hat man nicht einfach. Die sind zerbrechlich. Wir können sie verspielen, wenn wir nicht aufpassen. Diese Werte sind die Früchte eines langen, mühsamen und schmerzlichen Ringens und Kämpfens, einer einmaligen Freiheitsgeschichte. Ihre tiefsten Wurzeln liegen in der jüdisch-christlichen Sicht des Menschen: Der Gott der Bibel hat ihn mit einer einmaligen, unverwechselbaren, einzigartigen Würde ausgestattet. Immer wieder laufen die Menschen Gefahr, diese Wurzeln zu vergessen oder gar zu verleugnen. Wollen wir eine Zukunft haben in Frieden, Freiheit und in sozialer Gerechtigkeit – bei uns und im Blick auf die Herausforderungen der einen Welt - dann sollten wir uns unserer geistigen Wurzeln erinnern. Dann können wir das, was uns geprägt hat, lebendig erhalten. Denn: Wer weiß, wo er her kommt, der kann vielleicht auch besser sagen, wo es lang geht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6689
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