Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Führt Gott eigentlich mein Leben? Rechne ich damit, dass er mich im Alltag leitet? Und - lasse ich überhaupt zu, dass er mich führt?
Menschen, denen ich Einfluss auf mich gewährt habe, gibt es jedenfalls viele. Manchmal fällt mir meine Schulzeit wieder ein. Wie viel habe ich wegen meiner Lehrer getan oder gelassen. Wie sehr hat mich die Frage beschäftigt, wie ich bei den Schulfreunden ankomme. Heute sind sie alle für mich völlig bedeutungslos. Und doch habe ich meine Lebensgeschichte in erheblichem Maße von ihnen prägen lassen.
Ist das heute, wo ich erwachsen bin, anders? Kann ich verhindern, dass andere Einfluss auf mich nehmen? Ich fürchte, es ist wohl eine Illusion zu meinen, ich könne mein Leben souverän bestimmen und gestalten. Vielmehr werde ich in starkem Maße aus meinem Inneren gesteuert, oft ohne es überhaupt zu merken. Meine Familie, die Erziehung, die geschichtlichen Rahmenbedingungen, meine Freunde und Feinde – sie alle haben mich weit mehr geprägt, als mir bewusst ist. Meine Freiheit heute besteht wohl nur darin, zu wählen, von wem ich mich beeinflussen lasse. Von den unklaren Wünschen und Antrieben in mir selbst? Von den Menschen um mich her und ihren Werten? - Oder auch von Gott! Als Christ glaube ich, dass nur Gott allein weiß, welche Optionen in meinem Leben stecken. Er hat mich mit Begabungen und Begrenzungen geschaffen. Er kennt mich und weiß, was nötig ist, damit ich glücklich werde und mein Leben positive Spuren hinterlässt.
Es gibt dabei allerdings ein Problem. Ich bin, wie viele andere, mit dem Gedanken aufgewachsen, dass Selbstverwirklichung das höchste Gut ist. Ich habe das Recht und die Pflicht, mein Leben eigenverantwortlich zu gestalten, nach meinen Werten, auf meine Ziele hin. Diese Freiheit macht das Leben spannend und lebenswert. Der Gedanke macht uns aber auch misstrauisch gegenüber der Vorstellung, ein anderer, und sei es Gott, könnte in mein Leben hineinreden.
Trotzdem ist für mich eine andere Frage wichtiger, nämlich ob ich wirklich meine Identität, mein Ich, mein „Selbst“ verwirkliche. Bin ich das wirklich, was ich da lebe? Oder ist es nur die millionste Kopie aus der Bravo, Brigitte oder Financial Times?

Weil ich Gott ungleich mehr zutraue als den Meinungsmachern und Idolen, aber auch als meiner Familie und sogar mir selbst, bitte ich ihn, Einfluss auf mein Leben zu nehmen. Ich möchte ausleben, was Gott sich für mein Leben gedacht hat. Es ist mein Ziel, mit seiner Hilfe meine Identität zu finden. Und bisher bin ich damit sehr gut gefahren. Deshalb bete ich oft, wie David es einmal formuliert hat (Ps 86,11): „Herr, zeige mir den richtigen Weg!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6618
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