Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In der Weide-Wirtschaft zur Zeit Jesu sind offensichtlich verschiedene „Führungskräfte“ zum Einsatz gekommen. In einem Fall handelt es sich um „Mietlinge“ - das sind wohl angestellte, vielleicht sogar mit Boni bezahlte „Hüte-Manager“, im andern Fall um „gute“ Hirten, denen an ihrer Herde liegt. Und dabei denkt man zunächst an das romantische Bild in Omas Schlafzimmer. Ob es wohl Sinn macht, moderne Führungskultur mit diesem archaischen Motiv eines biblischen Nomaden von damals oder eines Alb-Schäfers von heute in Verbindung zu bringen?
Der „gute“ Hirte, so erzählt Jesus in dieser Geschichte, „kennt die Seinen und die Seinen kennen ihn“. Und das unterscheidet ihn vom „Mietling“, der in seiner Herde statt liebenswürdiger Lebewesen nur „Nutztiere“, Milch-, Woll- und Fleischlieferanten sieht. Ähnlich wie in der modernen Arbeitswelt, in der man Menschen aus Fleisch und Blut zu „Arbeitskräften“ degradiert, als handle es sich um technische Komponenten. In der betriebswirtschaftlichen Rechnung werden sie gar als „Kostenfaktoren“ geführt, und Kosten gilt es zu minimieren oder am besten ganz einzusparen. Daraus resultiert unermessliches Arbeitsleid!
„Gute“ Hirten – das sind Vorgesetzte, die trotz oder inmitten aller wirtschaftlichen Zwänge die Menschen und ihre Würde im Auge behalten. Sie wissen um unser aller Bedürftigkeit, unsere Schwächen und Stärken und um unsere Sehnsucht nach Dank und Anerkennung. Sie respektieren die individuelle Lebensgeschichte ihrer Leute, urteilen gerecht und handeln unbestechlich. Wie der „gute“ Hirte im Evangelium nicht einfach flieht, wenn der Wolf kommt, so laufen auch diese Vorgesetzten nicht davon, wenn ständig umstrukturiert und reorganisiert wird oder gar Entlassungen anstehen. Sie gehen für ihre Belegschaft durchs Feuer, machen sich krumm für sie, sorgen sich um Neuaufträge, um ihre Beschäftigten halten zu können. Wie aber geht man in jenen Firmen mit Arbeit um, die von „Mietlingen“, also gekauftem Management geführt werden, und die nur eine Richtgröße kennen, nämlich die Renditen der Kapitalgeber?
„Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ - ein hoher Anspruch für eine moderne Führungskultur. Wohl und Wehe am Arbeitsplatz entscheiden sich am Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Wird Führung mit Herz und Verstand wahrgenommen, klotzen die Beschäftigten auch mal ran, wenn es sein muss, und lassen ihren „guten Hirten“ nicht im Stich. Dann degradieren auch sie ihre Vorgesetzten nicht despektierlich zu „Führungskräften“, sondern respektieren sie als Menschen.


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