Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Selber schuld“ denke ich noch, als ich meinen Freund mit krebsrotem Gesicht vor mir sehe. Wir waren im Urlaub am Meer. Und ich habe ihn noch vor der Sonne gewarnt. „Creme Dich lieber ein und leg Dich nicht in die pralle Sonne. Da kriegst du schnell einen Sonnenbrand“. Doch er hat nur gelacht. Er sei hier, um braun zu werden. Und jetzt sitzt er vor mir mit glühendem Gesicht. Na, da kann ich nur sagen: „Selber schuld.“

Und bei der Gelegenheit ist mir aufgefallen: Das sag ich nicht nur im Urlaub. Auch bei der Arbeit oder gegenüber meinen Kindern geht mir dieser Satz schnell über die Lippen. Oder die Variante „Hab ich’s Dir nicht gleich gesagt“ oder schlicht und einfach: „Siehste“.

Warum sagt man so was eigentlich? Vielleicht will man sich ein bisschen dafür rächen, dass der gute Rat, die eigene Erfahrung missachtet wird. Vielleicht will man sich wieder ins Spiel bringen. Wenn ich so rede, geht es mir auf jeden Fall erst einmal um mich. Mitgefühl? Fehlanzeige.

Und das bringt mich zur Frage: Wie geht Gott eigentlich mit einem um, der seinen guten Rat missachtet und dann den Schaden hat? Lehnt Gott sich auch selbstgefällig zurück und sagt: „Selber schuld?“

In der Bibel beim Propheten Jesaja gibt es einen Satz, der in einem wunderbaren Bild Gottes Haltung dazu umschreibt. „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jes 42,3) Wenn ein Mensch in eine deprimierende Situation geraten ist, dann ist Gott eben nicht schadenfroh und setzt noch einen drauf.

Sinngemäß könnte der Vers so weitergehen: Gott will das geknickte Rohr schienen und den glimmenden Docht anpusten, damit der wieder aufleuchten kann. Gott schaut nicht zurück und rechnet nicht auf. Gott schaut nach vorne und hilft, dass es weitergehen kann, dass Leben wieder heil wird.

„Selber schuld“ - habe ich zu meinem Freund mit krebsrotem Gesicht gesagt. Naja, dann bin ich aufgestanden und habe ihm eine Salbe geholt, zum Kühlen. Ein paar Tage später machten wir eine Fahrradtour. Als ich ihm am Abend mit einer krebsroten Nase gegenüber saß, mussten wir beide lachen – na klar: „Selber schuld“!

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