Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Daniel hat bloß 6 Punkte im Deutsch-Aufsatz. Irgendwas über Goethe, Faust. „Na ja“, denkt die Mutter, „Daniel ist kein großer Schriftsteller. Aber 6 Punkte – das ist für seine Verhältnisse doch ein bisschen wenig.“ Daniel sagt verächtlich: „Goethe! – das war sooo langweilig!“ Ein paar Tage später hat er 13 Punkte in Reli. Thema „Gerechtigkeit“ „War das interessanter als Faust?“ fragt die Mutter. „Nö, sagt Daniel, „“aber der Lehrer ist ok. Der will einem echt was beibringen. Faust: da hatte die Lehrerin auch keinen Bock drauf.“
Vielleicht kann man darüber streiten, ob ein Oberstufenschüler Goethes „Faust“ kennen lernen sollte. Aber eins fand ich auffallend, als ich die Geschichte hörte: Schüler spüren, ob einer motiviert ist. Ob dem Lehrer wichtig ist, dass die Schüler verstehen, zum Beispiel was Gerechtigkeit bedeutet; oder warum ein Mensch wie Faust nicht zur Ruhe kommen konnte. Oder wie man die Winkel im Dreieck berechnet oder warum Kriege entstehen. Ob dem Lehrer oder der Lehrerin wichtig ist, dass die Schüler etwas begreifen und dann für ihr Leben etwas davon haben – das merken die Schüler. Oder ob nur behandelt wird, was eben im Lehrplan steht. Wenn einer von seiner Sache begeistert ist, dann kann er andere auch begeistern. Na ja, wenn ich an Daniel denke: vielleicht nicht gleich begeistern, aber doch jedenfalls interessieren.
„In dir muss brennen, was im anderen zünden soll!“ hat der Kirchenlehrer Augustin schon gewusst. Ich glaube, dass gilt nicht nur in der Schule. Das gilt überall, wo man etwas erreichen will. Nichts geht ohne Motivation. Nur wenn man es wichtig findet, dass 12jährige zusammen Freude am Fußball spielen haben und gemeinsame Erfolgserlebnisse, kann man ein guter Jugendtrainer sein. Nur wenn ich selber begeistert bin von dem, was man in der Bibel entdecken kann, kann ich als Pfarrerin eine gute Bibelstunde halten – oder eine einigermaßen interessante Morgenandacht machen. Wenn das eine nur machen würde, weil das Geld stimmt, dann stimmt was nicht.
Ganz am Anfang der Menschengeschichte, erzählt die Bibel, hat Gott den Menschen einen Auftrag gegeben. Sie sollen „die Erde bebauen und bewahren“. Sich einsetzen für diese Erde und die Menschen darauf, jeder an seinem Platz und mit seinen Möglichkeiten. Etwas tun, was andere aufbaut. Was anderen hilft, dass sie besser und leichter leben können.
Ich glaube, wer so motiviert seine Arbeit macht, der wird was erreichen. Auch bei Jungen wie Daniel.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=643
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