Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich glaube, es ist noch nie so viel bewertet und beurteilt worden wie heute. Auf Schritt und Tritt soll ich andere bewerten, und andere bewerten mich. Im Supermarkt z.B. fragt mich die Kassiererin jedes Mal, ob ich zufrieden war. Auch wenn ich über das Internet einkaufe, werde ich dazu aufgefordert, den Verkäufer zu bewerten. Umgekehrt: Wenn ich im Internet etwas versteigere, sagt mir der Käufer danach, ob er mit mir zufrieden war. Und in dem Internetforum, in dem ich Mitglied bin, steigt oder sinkt mein so genanntes „Karma“ je nachdem ob ich mich viel oder wenig beteilige.

Eigentlich ärgert mich die ständige Bewerterei. Ich will nicht immer bewerten müssen, ob etwas gut oder schlecht war. Und noch viel weniger gern werde ich von anderen bewertet. Wenn ich im Internet etwas versteigere, warte ich angespannt darauf, welches Urteil der Käufer über mich abgeben wird. Ich atme jedes Mal erleichtert auf, wenn es positiv ausfällt.

Ich vermute, mir geht dieses Urteil deshalb nahe, weil es nicht nur darum geht, ob das, was ich zur Versteigerung angeboten habe, gut oder schlecht war. Nein, ein Bisschen stehe ich jedes Mal selbst, als Person, auf dem Prüfstand. Es geht darum, was ich für einer bin.

Wie mir die Bewertungen, die mir auf Schritt und Tritt begegnen, nicht so an die Nieren gehen, das kann ich von dem Apostel Paulus lernen. Dem kam es nicht so sehr darauf an, wie ihn die Menschen bewerten, sondern vor allem darauf, was Gott über ihn sagt.

Und das kam so: Als Paulus ein junger Mann war, hat er den Glauben an Jesus Christus für einen gefährlichen Irrglauben gehalten. Er hat Christen aufspürt und ins Gefängnis gebracht. Bis ihm der auferstandene Jesus Christus selbst erschienen ist. Paulus hat dadurch erkennen müssen, dass er völlig falsch lag. Aber gleichzeitig hat Paulus die Erfahrung gemacht: Gott ist mit dem, was ich getan habe, nicht einverstanden, aber deshalb ist er mit mir noch lange nicht fertig. Gott unterscheidet zwischen, dem was ich tue oder getan habe und dem, was ich bin.

Das hat Paulus so gestärkt, dass ihm die Bewertungen anderer nicht mehr viel anhaben konnten. Einmal hat er von seinen Mitchristen in der griechischen Stadt Korinth eine ziemlich üble Bewertung bekommen. In einem Brief hat er ihnen zurück geschrieben: Es ist mir egal, wie ihr mich bewertet, wichtig ist mir, was Gott über mich sagt.

Ich denke, wenn es mir wie Paulus gelingt, mich vor allem nach dem Urteil Gottes zu richten, dann kann ich auch viel gelassener mit den vielen Bewertungen umgehen, die mir täglich begegnen - im Internet oder sonst wo.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6414
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