Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal bin ich neidisch auf meinen Hund. Auf das Leben, das er so führt. Mein Hund liegt die meiste Zeit faul rum, steht manchmal zum Fressen auf, muss sich um nichts kümmern. Und wenn ihm danach ist, holt er sich bei mir, meiner Frau oder den Kindern eine Streicheleinheit ab. So ein sorglos-faules Hundeleben, das wär’s, denke ich manchmal.

Aber dann fällt mir auf, wann es meinem Hund wirklich gut geht. Das ist nämlich gar nicht dann, wenn er faul rumliegt. Im Gegenteil, da macht er oft sogar einen traurigen Eindruck. Richtig gut geht es meinem Hund, wenn meine Frau mit ihm „arbeitet“. Arbeit bedeutet für den Hund, dass er einen so genannten Dummy – einen mit Sand gefüllten Stoffbeutel – apportieren muss: aus einem Gebüsch, aus hohem Graus oder aus einem See heraus. Das ist für den Hund kein Spiel, weil er strenge Regeln beachten muss. Aber wenn er so eine Aufgabe gemeistert hat und den Dummy meiner Frau zurückbringt, dann ist er so richtig glücklich und stolz.

Ganz ehrlich: Immer nur faul sein? Das wünsche ich mir zwar oft, aber auf Dauer wär das nichts, weder für Hund noch Mensch. Zum Menschsein und zum glücklich sein gehört mehr als nichts zu tun. Eigentlich geht es mir wie meinem Hund: Richtig glücklich und zufrieden bin ich, wenn ich was geschafft habe: wenn die Papierstapel auf meinem Schreibtisch weg sind, wenn der Satz Klassenarbeiten korrigiert ist, wenn die Predigt und der Gottesdienst vorbereitet sind.

Auch die Bibel ist der Meinung, dass das Arbeiten nicht etwa ein großes Unglück ist, sondern zum Menschsein dazu gehört. Gleich nachdem Gott den Menschen geschaffen hat – heißt es am Anfang der Bibel – hat er ihm auch schon eine Aufgabe gegeben: Er sollte den Tieren Namen geben.

„Leben“, hat ein schlauer Mensch einmal gesagt, „Leben heißt: Probleme lösen“. Das hört sich vielleicht mühsam an, aber ich vermute, dass er genau das gemeint hat: Unser Leben wäre ohne Aufgaben und Herausforderungen schrecklich langweilig und es würde etwas Schönes fehlen: Das Glück, das ich empfinde, wenn ich eine Herausforderung gemeistert habe.

Die Bibel empfiehlt übrigens nicht den Hund als Vorbild, sondern die Ameise: „Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr! (Sprüche 6,6)“ heißt es da. Ameise wäre mir persönlich ein Bisschen zu wuselig. Ich finde, faul sein muss auch seine Zeit haben, aber eben eine begrenzte Zeit. Ständig faul sein, dass ist schon nah dran an Antriebslosigkeit, Depressivität und Traurigkeit, und das hat mit Lebensfreude nichts zu tun.
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