Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Bald ist Ferienzeit. Ich freue mich, endlich mal wieder ans Meer zu kommen. Ich liebe es, mich einfach auf den Rücken ins Wasser zu legen und mich von den Wellen treiben zu lassen. „Toter Mann“ nennt man das.

Ich habe einmal von jemandem gehört, dem hat der „Tote Mann“ sogar das Leben gerettet. Und zwar war das ein junger Mann, der auf einer Fähre nach Griechenland unterwegs war. Es war Nacht. Er hat sich mit seinem Schlafsack auf Deck gelegt, ist eingeschlafen und hat sich plötzlich im Meer wieder gefunden. Entweder ist er im Schlaf über die Reling gerollt oder er wurde von bösen Menschen, die auf sein Gepäck aus waren, von Bord geschupst. Da strampelte er nun im tiefen Mittelmeer. Keine Küste in Sicht. Wenn ich die Geschichte noch richtig im Kopf habe, hat der junge Mann in seiner misslichen Lage folgendes getan: er hat sich flach aufs Wasser gelegt und gewartet – viele, viele Stunden, bis ihn irgendwann am nächsten Tag ein Schiff entdeckt und aufgefischt hat. Sich treiben zu lassen und möglichst viel Kraft zu sparen, war das einzig richtige. Hätte er versucht zu schwimmen, um irgendein Ufer zu erreichen, wäre er nach wenigen Stunden völlig entkräftet ertrunken.

Schwimmen oder treiben lassen? Ich denke, diese Frage stellt sich im übertragenen Sinn oft im Leben. Immer dann, wenn mich das Leben wie die Strömung im Meer in eine Richtung treibt, in die ich eigentlich gar nicht will. Das Schwimmen steht für die aktive Bewältigung von solchen Situationen. Viele Probleme lassen sich mit Kraft und Anstrengung meistern. Aber dann gibt es Strömungen, die sind so stark, dass Schwimmen keinen Sinn macht. Das kann eine Krankheit sein, ein Berufswunsch, der mir versagt bleibt, der Verlust eines lieben Menschen. Wenn ich gegen so ein Verzichten-Müssen ankämpfen will und mich mit ganzer Kraft innerlich dagegen stemme, dann brauche ich unheimlich viel Energie, bewirke aber nichts.

Manchmal ist es besser, wenn ich nicht gegen die Strömung ankämpfe, sondern mich – im Bild gesprochen - aufs Wasser lege und einfach treiben lasse. Das spart Kraft, die ich dringend zum Leben brauche. Die Voraussetzung dafür, dass ich das kann, ist: Vertrauen. Der „Tote Mann“ im Meer funktioniert nur, wenn ich darauf vertraue, dass das Wasser mich auch tatsächlich trägt. Sobald ich Angst bekomme und verkrampfe, gehe ich unter. Die vorgesehen Richtung in meinem Leben aufgeben und die neue Richtung akzeptieren kann ich nur, wenn ich Vertrauen in das Leben habe. Als Christ ist das für mich das Vertrauen, dass Gott mich trägt, mich nicht untergehen lässt und es wieder gut macht, auch wenn ich das im Moment noch nicht sehen kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6412
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