SWR4 Abendgedanken RP

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- Eberhard Cherdron im Portait -


Eberhard Cherdron blickt zurück, bis Ende letzten Jahres stand er als Präsident an der Spitze der Ev. Kirche der Pfalz.

Also beides gehört für mich zusammen: Weltverantwortung und Frömmigkeit. Und beides würde ich gerne auch noch in den nächsten Jahren meines Lebens an bestimmten Stellen immer wieder auch zum Ausdruck bringen können.

Als einen Kirchenmann, dessen gelebtes soziales Engagement auch ins Land hinein ausgestrahlt hat, hat ihn Ministerpräsident Kurt Beck bei seiner Verabschiedung gewürdigt.
Was für ein Mensch steckt hinter dem ehemaligen Kirchenpräsidenten?
Wo schlägt sein Herz?
Welchen Weg ist er gegangen?
Und was bewegt Eberhard Cherdron heute, wenn er zurückblickt auf seine Arbeit in Kirche und Gesellschaft?

Teil I
10 Jahre lang war er der oberste Repräsentant der rund 600 000 Pfälzer Protestanten zwischen Rhein und Saar. Kirchenpräsident Eberhard Cherdron. Seit einem knappen Jahr hat er mehr Zeit für sich, seine Frau, die Kinder und Enkelkinder. Als Pensionär hat er auch Zeit, Bilanz zu ziehen.

Was wirklich prägend für mich war aus der Familie heraus,...ist das Wissen und die Zuversicht, dass Gott durch das ganze Leben hindurch tragen wird. Und das hat mir immer wieder auch Mut gemacht in meinem Dienst als Pfarrer, in meinem Dienst in den verschiedenen Aufgaben dieser Landeskirche, und das hat mir zugleich ermöglicht, ganz unverkrampft mit sehr frommen Menschen auch singen und beten zu können, und zugleich aber auch etwa, was wir in der Jugendarbeit auch immer wieder heftig debattiert haben, dieses Stichwort der Weltverantwortung des Christen sehr ernst zu nehmen.

Fromm sein und sich einsetzen für andere Menschen.
Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Eberhard Cherdron.
Schon auf seiner ersten Pfarrstelle hatte er das im Blick.

Für mich war ....... die Arbeit mit den Kindertagesstätten in Neuhofen was ganz Zentrales...
Wir hatten drei Kindertagesstätten, das bedeutete eine große Verantwortung, es gab auch
Neubauten, wir mussten sehen, wie wir das alles miteinander organisieren. Und für mich ist
Kindertagesstättenarbeit etwas ganz wichtiges gewesen.


Junge Familien muss die Kirche unterstützen. Und wenn Menschen krank werden,
muss es auch Mittel und Wege geben, ihnen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft
Hilfe anzubieten.

Im gleichen Zeitraum, als ich in Neuhofen gearbeitet habe, haben wir wieder begonnen mit der Krankenpflegearbeit in den Gemeinden. Damals gab es noch keine Sozialstation, die
Krankenpflegevereine waren mehr oder weniger eigentlich ohne Aufgaben, weil die
Diakonissen nicht mehr da waren. Und wir fingen schon mal an mit einer freien Schwester die Krankenpflege in der Gemeinde neu zu organisieren.


Für den Pfarrerssohn, der als eines von vier Geschwistern in Hochstadt und Kandel aufgewachsen ist, war die Gemeindearbeit des Vaters prägend für die eigene Entscheidung, Theologie zu studieren.
Es kam aber noch etwas hinzu:
Er hat gemerkt, man muss als Pfarrer über den Tellerrand der Kirche hinausblicken,
wenn man soziale Probleme, die Menschen haben, wirklich verstehen will.
Und so hat Eberhard Cherdron noch ein Zweitstudium absolviert:
Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert.

Ich bin sehr froh, dass ich dieses Studium noch gemacht habe. Ich habe auch dadurch viele Freunde gefunden. Und es war für mich auch von den Inhalten, die ich dort erarbeitet habe, ganz wichtig, weil die Fragen der Wirtschaftsethik, der Sozialethik eigentlich meine ganze berufliche Laufbahn auch immer wieder begleitet haben.

Theologie und Volkswirtschaft:
Das war sein theoretisches Rüstzeug für den Weg in die Praxis der Kirche.

Teil II
Seine berufliche Laufbahn hat Cherdron in der Gemeinde begonnen, in Neuhofen bei
Ludwigshafen. Drei Jahre war er dort.
Dann hat ihn die Kirchenleitung in das Amt des Landesjugendpfarrers berufen.
Eine besondere Herausforderung in einer Zeit, in der kirchliche Jugendarbeit ständig Zerreißproben ausgesetzt war.
Auf der einen Seite die pietistisch Frommen, auf der anderen Seite die fortschrittlich Kritischen, die für mehr gesellschaftspolitisches Engagement der Kirche plädierten,
als Jugendpfarrer musste er sie miteinander ins Gespräch bringen.
Wichtig war ihm dabei immer auch die Frage:
Wie kann man jungen Leuten das Evangelium so verkündigen, dass der Funke des Glaubens überspringt.

Wir hören ja sehr oft von Jugendlichen, auch heute noch, dass ihnen die Gottesdienste viel zu langweilig sind, Lieder zu altmodisch, die Formulierung der Gebete, die Predigt wenig
ansprechend. Und damals standen wir natürlich schon vor der Frage: Gibt es neue
Liedformen? Da ist mir sicherlich auch meine Musikalität etwas zugute gekommen. Das war
selbstverständlich, dass ich solche neuen Lieder etwa eingebracht habe. Aber auch die
Versuche, gemeinsam liturgische Teile im Gottesdienst miteinander zu formulieren mit den
Jugendlichen, mit denen wir die Gottesdienste machten, auch das war sehr wichtig.


Im Jahre 1984 wurde Eberhard Cherdron die Leitung des Diakonischen Werkes der Pfalz übertragen. Das hing sicherlich auch damit zusammen, dass man ihm als Pfarrer und Volkswirt zutraute, auch wirtschaftliche Entwicklungen in diakonischen Unternehmungen abschätzen zu können.
Im „Unternehmen“ Diakonie hat sich Cherdron stark gemacht für die Sozialarbeit der
Kirchengemeinden in Kindertagesstätten und ambulanter Krankenpflege. Dass hier
die Kirche auch künftig Verantwortung übernehmen muss, das hat er gerade aus der
jüngeren Geschichte gelernt.

Der Nationalsozialismus hat eigentlich versucht, die Kirchen möglichst aus dem gesellschaftlichen Leben zu entfernen, die gleiche Entwicklung hatten wir dann in der DDR. Und ich sehe es sehr deutlich, dass die Kirche, gerade, weil wir dem Staat nicht alles überlassen dürfen, auch Aufgaben im Sozialbereich wahrzunehmen hat. Auch an den Stellen,.......wo‘s Geld kostet, auch da müssen wir rein, und da, wo vielleicht auch schwierige Arbeitsbedingungen sind, weil wir den Menschen helfen wollen.

Eberhard Cherdron hat eine besondere Kompetenz:
Er kann gut auf andere Menschen zugehen, sie miteinander ins Gespräch bringen,
wo sie unterschiedliche Positionen vertreten, und auf den Punkt bringen, worum es
geht. Die unterschiedlichen Gaben, die Menschen mitbringen, wahrzunehmen und
sie miteinander zu vernetzen, das liegt Eberhard Cherdron.
Und deswegen war er wohl auch der richtige Kandidat für die Position des Kirchenpräsidenten, in die er im Jahre 1998 gewählt wurde.

Es geht nicht um die Person des Präsidenten selbst, sondern es geht darum, dass er es schafft, ein Zusammenarbeiten in den einzelnen Organen und Einrichtungen hinzubekommen, das war mir eigentlich die ganze Zeit sehr wichtig gewesen. Es setzt allerdings auch wirklich voraus, dass man selbst auch weiß, um was es geht, dass man durchaus auch einen eigenen Standpunkt hat, aber versucht ihn mit dem, was die andern wollen, zu vermitteln.

Teil III
Menschen, die mit ganzem Herzen Christen sind, die haben ihn geprägt. Allen voran sein Vater.

Für ihn war bis zu seinem Sterben hin eine entscheidende Aussage: Wir kommen auch im Tod zu Gott. Und das hat er durchgehalten, durchgehalten in seinen Predigten, es war das, was ihn als Gemeindepfarrer geprägt hat: Aufgehoben sein in Gottes Hand bis zum Sterben hin. Das hat er uns auch als Familie noch sagen können „Seid nicht traurig, wir werden uns wiedersehen“, war so sein letzter Satz.

Dieser weite Horizont hat ihn auch geprägt in der Art, wie er mit den verschiedensten
Christenmenschen umgegangen ist.

Ich hab gemerkt: es gibt andere Menschen in unserer Kirche, für die ist zum Beispiel die
Friedensthematik das A und O. Für die ist diese Erfahrung gar nicht so wichtig, die wollen
kämpfen, die wollen dafür sorgen, dass es auf dieser Welt besser wird. Und ich kann diese
Menschen genau so ernst nehmen in dem, was sie glauben, wovon sie überzeugt sind, wie
etwa das, was mein Vater in seinem Glaubenserlebnis zum Ausdruck gebracht hat.


Wir müssen uns also nicht trennen, wenn wir in unterschiedlicher Weise unser Christ-Sein leben. Ich darf anders leben und anders glauben als du, und trotzdem gehören wir zusammen. Das zu vermitteln, ist Eberhard Cherdron immer wichtig gewesen.
Der Apostel Paulus hat das so ausgedrückt:

„Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht. Oder auch der Kopf zu den Füßen: Ich brauche euch nicht.“ (Kor 12,21).

Ja, wir brauchen einander, so wie gute Nachbarn einander brauchen.
Von diesem Hintergrund her versteht Cherdron dann auch die Ökumene.
Protestanten und Katholiken pflegen in Speyer eine gute Nachbarschaft.
Am Domplatz stehen Bischofshaus und Landeskirchenrat vis a vis.
Nicht nur zwischen den Gemeinden, sondern auch zwischen den beiden Kirchenleitungen, ist im Laufe der letzten Jahrzehnte ein vertrauensvolles Miteinander gewachsen. Und genau das lässt es zu, dass man auch einmal unterschiedliche Auffassungen hat und theologische Kontroversen austragen kann.
Und deswegen blickt der ehemalige Kirchenpräsident der Zukunft der evangelischen Kirche gelassen entgegen.

Ich glaube, wir sollten uns auch nicht von solchen Wellenbewegungen, die wir in der
Geschichte immer wieder erleben, allzu stark beeindrucken lassen, im Sinne von „Der
Protestantismus wird absterben“, weil die Menschen etwa eher die Bilder lieben, auch die
schönen Gottesdienste, wie wir sie im katholischen Raum ja erleben können.
Wir brauchen uns da überhaupt nicht zu verstecken und ich bin auch der Meinung, dass der
schwarze Talar des protestantischen Pfarrers durchaus ansehnlich ist. Und die Schönheit des
Gottesdienstes, eines evangelischen Gottesdienstes, die kann sehr wohl sich auch entfalten,
auch wenn wir keine Messgewänder tragen und wenn wir sehr sorgsam darauf achten, was
wir miteinander feiern.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6400
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