Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Wir wollen besser sein als unsere Väter." Viele Söhne aus meiner Generation haben das gedacht oder auch laut gesagt. Als wir Anfang 20 waren. Wir würden uns nicht so verbiegen lassen wie sie, unsere Väter oder Großväter. Viele Söhne, die -wie ich- nach dem 2 Weltkrieg geboren wurden, haben ihren Vater gefragt, oder ihm vorgeworfen: Wieso habt Ihr nicht gesehen, dass ihr in einem Unrechtsstaat lebt? Warum habt ihr weg geschaut oder mitgemacht? "Und viele von uns haben sich vorgenommen: Wir wollen mal besser sein."
Haben wir es besser gemacht? Sind wir moralisch reiner? Wollten wir nicht einmal, dass es in unserer Welt weniger Hunger gibt? Mehr Gerechtigkeit. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir damit sehr weit gekommen sind. Und haben Sie und ich dabei besonders viel Einsatz und Mut gezeigt? Etwas riskiert, wie wir es von unseren Vätern erwartet haben? Dass ich moralisch besser bin als unsere Väter. dieses Gefühl habe ich nicht mehr. Im Gegenteil, ich fürchte, auch meine Generation hätte vieles besser machen sollen und können. Was ist mit dem Klima? Meine Art zu leben, schadet dem Klima und der Umwelt, das weiß ich seit 30 Jahren. Aber, hab ich mich entsprechend verhalten? Was ist mit den unglaublichen Schulden, die wir unseren Kindern aufladen, damit es uns heute möglichst gut geht? Unser Wirtschaftssystem, von dem viele von uns profitieren, wie viel Elend produziert es zugleich. Und ich kann mich nicht raus reden, dass ich nichts gewusst hätte. Wir wissen.
"Ich bin auch nicht besser als meine Väter." Diese Erfahrung ist nicht neu. Im Gegenteil, sie ist uralt. In der Bibel
hat Elia das erlebt. Schon vor 2800 Jahren. Anscheinend neigten Söhne in der Jugend immer schon dazu, die Sünden der Väter messerscharf zu sehen. Sie erheben sich moralisch. Und scheitern.
Moralische Überheblichkeit von Söhnen gegenüber Vätern ist kein guter Ratgeber fürs Leben. Als Elia erkennt,
dass er nicht besser ist als seine Väter, erschrickt er zutiefst. Immerhin er erschrickt. Ich habe das Gefühl, die meisten von uns zucken bloß mit den Schultern, wenn wir eigene Unzulänglichkeit sehen. Sind schnell dabei, sich selbst zu entschuldigen. Elia erschrickt über sein Versagen. Sinkt zusammen wie ein Häufchen Elend. Bis ihm der Engel Gottes sagt: Stell Dich nicht an. Verkriech dich nicht in Deinem moralischen Selbstmitleid. Steh auf und tu, was Du kannst. Weder überheblich noch untätig. Weder allmächtig noch ohnmächtig. Sondern tun, was geht.
Wenn man nicht mehr moralisch besser sein muss, kann man vielleicht tun, was gut tut.
Für das Klima, für die Zukunft unserer Kinder. Für Gerechtigkeit. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6226
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