Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist nicht das verflixte 7 Jahr. Die Statistiken zeigen: Ehen zerbrechen am häufigsten im 4 Ehejahr. Inzwischen steigen auch die Scheidungszahlen um die Silberhochzeit. Immer öfter trennen sich Frauen und Männer, weil sie es nach 20, 25 Ehejahren nicht mehr zusammen aushalten. Vielen ist die Liebe verloren gegangen. Eine innere Beziehung gibt es nicht mehr. Statt dessen Leere, Schweigen, alte Kränkungen. Wenn die Kinder auf eigenen Beinen stehen, scheint es nichts mehr zu geben was zusammenhält. Nicht die Liebe für ihre Kinder. Nicht die familiären Beziehungen. Nicht die gemeinsamen Freunde. Nicht das Haus, für das sie Jahrzehnte gearbeitet und gespart haben.
Ich verstehe gut, dass Männer und Frauen nicht miteinander alt werden wollen, wenn sie einander nichts mehr bedeuten. Aber ich erlebe auch, wie schmerzhaft Trennungen sind; nach so vielen Jahren umso mehr. Viele fragen sich, was denn übrig bleibt aus all der Zeit; ob denn alles umsonst war, ob sie alles falsch gemacht haben; wer schuld ist. Das sind keine harmlosen Fragen. Sie tun weh. Erschwerend kommt etwas dazu, woran keiner bei der Trennung denkt: Ehepaare bleiben trotz Scheidung für immer verbunden. Die Erinnerung an die gemeinsamen Jahre bleibt: All die Zeit in einer gemeinsamen Wohnung, das Schlafzimmer, Urlaube, der Geburtstag der Kinder. Und Eltern bleiben sie bis ans Ende ihres Lebens. Sie haben dieselben Enkelkinder, treffen sich zu wichtigen Anlässen oder leiden, weil einer von beiden dem Expartner auf keinen Fall begegnen will.
Deshalb kann es der leichtere Weg sein, sich nach all den Jahren doch noch eine Chance zu geben. Manchmal geht es, sich den alten Kränkungen zu stellen. Trotz aller Enttäuschungen zu sichten, was einen zusammengehalten hat. Einander zu verzeihen. Die wenigsten, die 20 Jahre oder mehr zusammen gelebt haben, hatten es nur schwer. Aber oft haben sie völlig aus dem Blick verloren, was gut war seitdem sie sich kennen. Dass sie miteinander auch schöne Zeiten hatten.
In der Arbeit mit Paaren erlebe ich wie befreiend es für sie sein kann, das zu sehen, was ihnen gelungen ist. Wenn sie sich daran erinnern, was sie durch gestanden, ausgehalten und geschafft haben. Mit diesem Gefühl haben manche dann den Mut, das zu verändern, was sie heute brauchen, um miteinander gerne alt zu werden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6205
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