Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ich muss mal raus aus dem Alltag!“, sagt mir der Kollege und erzählt vom geplanten Ur-laub. „Pausenlos geht’s rund, wie im Hamsterrad. Kaum ist eins fertig, kommt das nächs-te. Den ganzen Tag unterwegs und im Geschäft, abends kann ich dann bloß noch ein bisschen fernsehen, mehr schaffe ich nicht. Was ist das für ein Leben!“ Jetzt freut er sich auf den Urlaub. Aber was sind zwei Wochen auf ein ganzes Jahr?
Wie gut, habe ich mir da gedacht, dass es den Sonntag gibt. Der Sonntag ist mir nämlich heilig, denn: Da komme ich raus aus dem Alltag, sogar, wenn ich erst noch ein paar Stunden arbeiten muss. In meinem Beruf ist das nun mal so und bei Krankenschwestern, Köchen und Kellnerinnen auch. Ich hoffe, dass die ihren Sonntag irgendwie nachholen können. Und dass sie wenigstens ab und zu auch einen richtigen freien Sonntag haben.
Denn einen verlorenen Sonntag kann man in der Woche nicht wirklich nachholen. Nur am Sonntag ist es ist so schön still in der Stadt. Kein Baulärm. Kaum Autos. Dafür Lärm auf dem Kinderspielplatz, Grillgeruch vom Balkon drei Häuser weiter. Da trifft sich anschei-nend die ganze Familie. Fast alle haben Zeit. Man kann tun, was man will. Man muss a-ber nicht.
Eine „Erfindung der Freiheit“ sei der Sonntag, habe ich neulich gelesen. Und ich glaube, genau so war dieser von Gott verordnete freie Tag von Anfang an gemeint. Der Feiertag soll dir heilig sein, das ist ja das dritte der 10 Gebote. Und in der Bibel wird ausdrücklich festgehalten, dass das für alle gelten soll. Von Anfang an sollte dieser freie Tag allen zu-gute kommen. Nicht nur denen, die sich das leisten können. Gerade auch den anderen, den Abhängigen, den Sklaven, auch denen, die eine ganz andere Religion hatten: Die alle sollten raus kommen aus ihrem Alltag. Für alle eine Erinnerung an das Paradies gewis-sermaßen, als auch Gott selbst sich ausgeruht hat von seiner Arbeit. Oder ein Vorge-schmack auf das Reich Gottes, in dem eines Tages nur noch das Leben gefeiert wird. Das ist der Sonntag.
Mir ist der Sonntag heilig. Nicht, dass ich mich oder die Menschen um mich rum zur Lan-geweile verdonnere, wie das früher meine Eltern getan haben. Da durfte man gar nichts am Sonntag, nur spazieren gehen und sich langweilen. So meine ich das nicht. Aber am Sonntag mache ich nur, wozu ich Lust habe. Nicht, was sein muss, sondern was schön ist.
Damit das klappt verzichte ich manchmal auf einen Fernsehabend und schaffe abends ein bisschen länger. Dafür kann ich dann aber am Sonntag wirklich richtig raus aus dem All-tag. Probieren Sie es doch morgen mal aus. Der Sonntag ist nicht nur für Christen da.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6160
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