Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenn Sie Gott finden wollten, wo würden Sie ihn suchen?“ Eine interessante Frage. Denn sie setzt voraus, dass ich damit rechne, dass Gott auch existiert. Und dass es Orte gibt, wo ich ihn ahnen, spüren kann.
Wo würde ich also Gott suchen, wenn ich ihn finden möchte?
In der Kirche natürlich, würden spontan wohl die meisten antworten, die mit dem Glauben etwas anfangen können. Weil da Gott wohnt, in der heiligen Stille und bei betenden Menschen. Im Wald, in der Natur sagen all die zu Recht, die nicht in die Kirche gehen und auch an Gott glauben. Und viele meinen er sei überall dort zu finden, wo sich der Blick und die Seele weiten: Auf Berggipfeln oder bei einem Bad im Meer.
In der Kunst lässt sich Gott finden, sagen die, die beim Singen, beim Tanzen oder Malen sich selbst vergessen oder sogar über sich hinaus treten. Und Ekstase, tiefe Ruhe oder Sinn erfahren.
Im Weltall, in dieser Anhäufung von Milliarden Sonnensystemen, die alles Begreifen übersteigt.
In den kleinsten Bausteinen des Lebens, wo man nicht mehr zwischen Materie und Energie unterscheiden kann, so sagen manche Physiker, lässt sich Gott erahnen.
In der Liebe, sagen viele, nicht nur christgläubige Menschen, findet sich Gott, in der caritativen Form der Liebe: in der helfenden Hand, im aufrichtenden, tröstenden Wort, in der elterlichen und großelterlichen Liebe zu Kindern und Enkeln. In der sexuellen Liebe, trauen sich manche zu sagen. Nicht indem sie den Sex vergötzen, sondern wenn sich Menschen in der körperlichen Liebe gemeinsam vergessen und nach dem Höhepunkt noch tiefer spüren, dass noch immer eine Sehnsucht bleibt, wenn alle Sinne befriedigt sind.
Im Kreißsaal meinen manche Gott zu finden. In diesen außerirdischen Stunden um die Geburt eines neuen Menschenwesens. Und auf Intensivstationen, wo Menschen um das Leben kämpfen. Die Ärzte, Schwestern, Pfleger für die Patienten. Aber auch Verletzten und Kranken selbst, die in einer Art zeitlosen Schwerelosigkeit zwischen Himmel und Erde schweben.
Und tief in mir drin finde ich Gott, sagen nicht wenige, die ihn in der Stille suchen. Wenn sie ganz bei sich sind und wahrnehmen, sich wahrnehmen, alles anders wahrnehmen, diese Welt und die Dinge über sie hinaus.
„Wenn sie Gott finden wollen, wo würden Sie ihn suchen?“ Viele Antworten, auf eine sehr interessante Frage. Und alle sind sie wahr.
Weil die Menschen Gott im Suchen finden, auch wenn sie ihn nie fassen, festhalten oder gar begreifen können.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=606
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