SWR1 3vor8

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Heute mit Maria Meesters, Pastoralreferentin in Baden-Baden. Guten Morgen.
„Der liebe Gott sieht alles, aber er verpetzt uns nicht.“ Damit habe ich mich schon ab und zu getröstet. Der Spruch ist schlau – und er dürfte wahr sein. Auch wenn er nicht in der Bibel steht. Dort, im 1. Johannesbrief, steht aber ein Satz, der noch viel weiter geht: „Und wenn unser Herz uns auch verurteilt, Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles.“ (3, 20) Dieser Satz ist für mich einer der tröstlichsten Sätze der ganzen Bibel. Da geht es um mehr als um Petzen und Erwischtwerden. Da geht es um Schuld, quälende Schuld, Schuldgefühle. Wenn unser Herz uns verurteilt - Wer kennt das nicht: Da habe ich etwas getan, da habe ich etwas nicht getan – und das kann ich mir nicht verzeihen. Etwas falsch entschieden, mein Kind zu hart gestraft, die alten Eltern selten besucht, einen Unfall gebaut, einen Betrieb in die Pleite geführt. Da komme ich mit den Fragen nach dem Leben und nach Gott nicht zurecht, kann nicht so glauben, wie ich es gern täte, oder wie ich denke, dass man glauben soll. Wenn mein Herz mich verurteilt, wenn ich selber mich schuldig spreche, das ist ziemlich ausweglos. Da hilft es nicht, wenn keiner was erfährt.
Gott weiß alles, schreibt der Verfasser des 1. Johannesbriefs. Und das ist nicht bedrohlich, nicht beschämend oder entblößend, sondern es entlastet. Endlich sieht einer die Dinge, wie sie sind. Gott weiß, wie viel Mühe ich mir mit einer Entscheidung gegeben habe – und schließlich war sie falsch. Er weiß, warum mir bei meinem Kind die Nerven durchgegangen sind oder wo ich aus Sorge zu hart gestraft habe. Es tut gut, mit einem wirklich wissenden Blick angeschaut zu werden, auch wenn ich dabei meine Schuld noch deutlicher erkenne. Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles – das meint beides: er sieht die mildernden Umstände und auch die belastenden Momente, und auf der Basis dieser Wahrheit schlägt sein größeres Herz für mich. Da wo ich mir nicht verzeihen kann, wird Schuld nicht verharmlost, wird auch die Würde meiner Opfer gewahrt. Und ich darf aufatmen.
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