Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir gehen vertrauensvoll miteinander um“ - dieser Satz schmückt – fein säuberlich gedruckt und unter Glas – viele Foyers der Unternehmen. Klingt gut, aber was darf denn dieses Vertrauen kosten? In einem Fall war es ganze 1, 30 Euro wert. Diesen Betrag hatte eine Verkäuferin unterschlagen und wurde – nach dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit – fristlos gefeuert. In einem anderen Fall wiegt dieses Vertrauen schon mal satte 3, 5 Millionen. Um diesen Betrag – ergänzt noch durch eine saftige Pensionsforderung – klagt derzeit ein Bank-Manager, der sein Institut in den Sand gesetzt hat und deswegen gechasst worden ist. Beide Vorgänge sind übrigens rechtens. So auch die Kündigung eines Bäckereigehilfen, der zwar sein Frühstücksbrötchen ordnungsgemäß bezahlt, aber dieses auf Kosten der Firma belegt hatte.
Gewiss – auch wer nur einen Pfandgutschein unterschlägt, begeht ein Eigentumsdelikt und beschädigt das gegenseitige Vertrauen. Aber wo bleibt die Verhältnismäßigkeit, und wie soll man das glaubwürdig vermitteln?
Viele Menschen, die heute teilweise mit erbärmlichen Verdiensten und stets in Angst um ihren Arbeitsplatz gute Arbeit abliefern, reagieren auf solche Vorgänge empört und verbittert. Jeder Arbeitsvertrag begründet eine Rechtsbeziehung auf Vertrauensbasis. Wie verträgt sich das aber mit schamlosen Bespitzelungen und heimlich geführten Krankenakten? Wird diese Basis nicht unterminiert, wenn man über Nacht Fabriken leer räumt?
Eines ist sicher: Wo das gegenseitige Vertrauen zwischen Arbeitenden und ihren Arbeitgebern in den Keller geht, zahlen am Ende alle drauf. Wer mit Unlust zur Arbeit geht, leistet allenfalls „Dienst nach Vorschrift“. Das klingt nicht sehr produktiv! Und geht erst mal die Saat des Misstrauens auf, wächst nur noch Unkraut auf dem Acker!
„Vertrauen ist für alle Unternehmen das größte Betriebskapital“, meinte der Theologe und Urwalddoktor Albert Schweitzer. Auch heute, an diesem ganz gewöhnlichen Arbeitstag, heißt es wieder, goldgerahmte Unternehmensleitsätze in die betriebliche Wirklichkeit umzusetzen!
Daher rufe ich den Beschäftigten ebenso wie ihren Arbeitgebern zu: Geben Sie einander Vertrauensvorschuss! Investieren Sie in Vertrauen! Ich bin mir sicher: Das ist keine Spekulationsblase, sondern eine stabile Leitwährung.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=5848
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