Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In den katholischen Gottesdiensten wird heute ein Text aus dem Neuen Testament vorgelesen, der schon so manchen auf die Nerven ging. Die Apostelgeschichte beschreibt das Leben der ersten Christengemeinde in Jerusalem: „Die Gemeinde der Gläubigen“, heißt es da, „war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was ihm gehörte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam... Alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz... Jedem wurde soviel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ (4, 32, 34-35).
Klingt das nicht nach DDR und „Kommunistischem Manifest“? Hat nicht gerade der Kommunismus das Privateigentum bekämpft und zwangsweise Gütergemeinschaft verordnet? Und ist er letztlich nicht daran gescheitert? Der „ur-christliche Kommunismus“ hingegen war auf Freiwilligkeit gegründet und lud einfach dazu ein, anders zu leben. Auch das ging übrigens gründlich daneben. Ein vermögendes Ehepaar, so berichtet die Apostelgeschichte weiter, suchte sein Heil in einer Art Doppelstrategie. Hananias und seine Frau verkauften einen Acker, brachten aber nur einen Teil des Erlöses in die Gemeinde ein und behielten den Rest für sich. Das wars dann wohl...
Nicht ganz! Denn die faszinierende Idee, dass allen alles gemeinsam gehört, ist seitdem nicht mehr totzukriegen. Sie lebt immer mal wieder putzmunter auf in geistlichen Gruppen, in klösterlichen Gemeinschaften und Kommunen aller Art. Da gibt es weder Reiche noch Arme. Alle genießen die Früchte eines bescheidenen, aber doch auskömmlichen Lebens jenseits von Habgier und verzehrender Sorge um das Morgen.
Klar - politisch ist das Modell der Gütergemeinschaft kaum zu realisieren. Da bleibt uns nur die Annäherung auf den beiden bekannten Wegen, nämlich dem der „Barmherzigkeit“ und dem der „Gerechtigkeit“. Eigentlich sind die beiden gar nicht voneinander zu trennen.
Christinnen und Christen in aller Welt verbinden daher die Werke der Barmherzigkeit mit dem Kampf um soziale Gerechtigkeit. Sie engagieren sich in Vesperkirchen und Tafelläden, vergessen dabei aber nicht, politisch für eine neue Verteilungsgerechtigkeit einzutreten. Denn da zählt unser Land nicht gerade zu den Glanzlichtern. Zehn Prozent der reichsten Haushalte verfügen inzwischen über 61 % des gesamten Volksvermögens. Mit der Sozialverpflichtung des Eigentums – im Grundgesetz verankert – scheint es nicht weit her! Ich meine, es wäre die erste und vornehmste Aufgabe der Politik, für sozialen Ausgleich zu sorgen, damit alle gut zu leben haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5845
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