Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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2000 Mal herzlich Ihre… So habe ich übers Jahr zusammen gerechnet.
2000 Mal schreibe ich: herzlich Ihre Dorothea Frank.
Was aber heißt das? frage ich mich und frage auch Sie. Denn bestimmt schreiben auch Sie auf Ihre Geburtstagskarten und Grüße aus dem Urlaub: herzlich Ihre…

Von Herzen kommend, so will ich diesen Gruß übersetzen. Oder mit dem Herzen bei Ihnen, so könnte ich es auch umschreiben. Mit meinem Wohlwollen, mit meiner Wertschätzung, mit meiner Dankbarkeit, mit meinem Gebet.

Von Herzen heißt: aus meiner Mitte kommend.
Und wo ist das dann? Zwei Finger über der Brust, etwas links. Bei manchen tut es weh, die wissen nur zu genau, wo ihr Herz ist. Gott sei Dank kenne ich noch kein solches Leitsystem der Schmerzen.

Da schreibe ich also 2000 Mal herzlich Ihre, und weiß auch, wo das Organ liegt in meinem Körper. Worauf es mir aber vor allem ankommt: dass ich das nicht nur so dahersage, sonst verkommt dieser Gruß zu einer oberflächlichen Formel. Wichtig ist, dass ich mir bewusst bin: da ist mein Herz, mein innerstes Wesen beteiligt an diesem Gruß. Vielleicht gelingt es nicht immer und ich kann es nicht immer einlösen, aber es drückt meinen Wunsch aus, dass ich Wohlwollen und Wärme für den anderen empfinden kann.

Mit dem Herzen beim anderen sein. Das geht nur, wenn ich trotzdem bei mir bleibe, wenn ich zu mir stehe. Wenn ich also nicht total in den anderen hineingehe, verfließe, mich auflöse. Wenn ich ihn liebe, aber auch für mich selbst sorge. Wenn ich mit ihm traurig bin, aber darüber nicht vergesse mich zu freuen. Wenn ich mein Mitgefühl ausdrücke, ohne meine eigenen Gefühle zu verraten. Ich kann von mir etwas geben und darf vom anderen auch etwas annehmen. Ich brauche keine Angst zu haben, dass ich zu kurz komme. Ich kann mich zuwenden, ohne mich selbst aufzugeben.

In einem schönen Begrüßungsritual kommt genau das zum Ausdruck:
Da sagt die eine zur anderen: Ich öffne mein Herz für Dich. Ich bleibe bei mir.
Bitte beachten Sie: Zwischen den beiden Sätzen steht kein aber. Es ist eben kein Widerspruch, mich zu öffnen und einem Menschen meine Zuwendung zu geben und doch bei mir zu bleiben, mir selbst treu zu bleiben.

Wenn ich auch in Zukunft schreiben will: herzlich Ihre…, dann muss ich Sorge tragen zu meinem Herzen. Muss hören, was es mir sagen will und darauf achten, dass ich immer wieder Abstand gewinne und weggehe von denen, für die ich gerne da bin und die auf mich warten.

Das möchte ich übrigens auch anderen zugestehen, deren Zuwendung ich brauche, der Mensch und die Menschen, die mit mir das Leben teilen.
Herzlich Ihre
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5795
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