Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Für alle Dinge gibt es ein richtiges Maß, auch für den Mut. Wer sich viel zutraut, der wird leicht über-mütig. Und wer sich mehr zutraut, als er eigentlich kann, der wird hoch-mütig – keine besonders sympathische Eigenschaft. Auf der anderen Seite: Wer sich ganz wenig zutraut, der ist mut-los.
Ich glaube, das richtige Maß an Mut, die richtige Einstellung zu mir und meinen Fähigkeiten liegt irgendwo zwischen Mutlosigkeit und Hochmut, aber es ist gar nicht so einfach, sie zu treffen.
Damit das gelingt empfiehlt die Bibel eine ganz andere Form von Mut: Die De-Mut. Wie bitte Demut? Das klingt doch nach Unterwürfigkeit – nach einem Hund, der den Schwanz einzieht aus Angst, von seinem Herrn geschlagen zu werden. Das soll das richtige Maß an Mut sein?
Aber wenn ich genauer hinschaue, dann merke ich, dass das, was die Bibel mit Demut meint, nichts mit dem zu tun hat, was mir dazu spontan durch den Kopf geht. Dass er demütig war, wird beispielsweise von Mose gesagt: „Aber Mose war ein sehr demütiger Mensch, mehr als alle Menschen auf Erden“ (4. Mose 12,3), lese ich da. Mit Unterwürfigkeit hatte Mose nun aber gar nichts am Hut. Mutig stellte er sich vor den Pharao und forderte den mächtigen Herrscher Ägyptens auf, die Israeliten aus der Sklaverei zu entlassen. Und als der Pharao das Volk endlich frei gab, führte Mose die Menschen durch die Wüste in ein neues Land. Als Anführer musste er viele wichtige Entscheidungen treffen und auch manchmal hart durchgreifen.
Demut, das ist für die Bibel der Mut, der mit Gott rechnet. Es gibt nicht nur mich und das, was ich tun und leisten kann. Es gibt da noch jemanden, der mehr tun kann als ich und der Möglichkeiten hat, wenn ich mit meinen Möglichkeiten am Ende bin. Als Mose von Gott den schwierigen Auftrag bekam, die Israeliten aus Ägypten zu führen, da wehrte er ab: „Nimm einen andern, ich bin kein großer Redner“. Aber dann versprach Gott, dass er ihm schon die richtigen Worte geben würde, und Mose willigte ein.
Demut bedeutet auch, dass ich meine Grenzen akzeptieren kann. Ich brauche nicht hochmütig zu denken, ich kann und muss alles allein hinkriegen. Ich brauche aber auch nicht mutlos zu verzweifeln, weil ich mir zu wenig zutraue. Gott kann auch aus dem, was misslingt, noch Gutes wirken. Für mich als Pfarrer heißt das ganz konkret, wenn ich an meiner Predigt für den nächsten Sonntag sitze, dass ich weder hochmütig denke, ich könnte mit meinen Worten Alle überzeugen, noch mutlos meine, dass meine Gedanken sowieso niemanden interessieren. Ich mache es einfach so gut ich es kann und überlasse den Rest Gott. Überlegen Sie doch mal, was Demut für Sie bedeuten könnte.
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