Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Missstände zu beklagen ist leicht: „Immer mehr Kinder haben Übergewicht. Die bewegen sich nicht genug“ Sich zu ärgern und Grundsatzreden zu halten ist einfach: „Die Jugend wird immer bequemer. Kein Wunder, wenn sich die Eltern um nichts kümmern.“ Aber von klugen Analysen und scharfer Kritik wird am Ende nichts besser.
„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“ hat dagegen Gustav Werner gesagt. In der vergangenen Woche hat man in Reutlingen seinen 200. Geburtstag gefeiert. Gustav Wer-ner ist der Begründer der Bruderhaus-Diakonie. Das ist heute eine große, weit verzweigte Einrichtung mit Behindertenwerkstätten und Wohneinrichtungen, mit Altenheimen und Möglichkeiten für die Jugendhilfe.
Gustav Werner selbst, 1809 in Zwiefalten geboren, hatte Theologie studiert und predigte als junger Vikar in der Nähe von Reutlingen. Der Glaube ist nichts, worauf man sich aus-ruhen könnte, wahrer Glaube wird tätig, hat er gepredigt. Wahrer Glaube kümmert sich um die, die sich von Gott und der Welt verlassen fühlen.
Aber Gustav Werner konnte und wollte es nicht bei Sonntagspredigten belassen. „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“ er machte Ernst damit. Ihm waren die Waisenkinder in seiner Gemeinde aufgefallen. Niemand kümmerte sich um sie. Gustav Werner tat es. Als die Mutter von 6 Kindern starb, nahm er selbst ein Kind auf und bewegte andere, die übrigen Kinder in ihren Familien aufzunehmen. 1840 gab er seinen Beruf als Pfarrer auf und zog er mit 6 Waisenkindern und Helferinnen nach Reutlingen, 10 Jahre später leben schon 90 Kinder und Hilfsbedürftige zusammen. Gustav Werner gründete Fabriken, in denen seine Zöglinge Arbeit fanden. Gottlieb Daimler war für ein paar Jahre sein Werk-stattleiter. Der Waisenjunge Wilhelm Maybach erhielt in Reutlingen bei ihm seine Ausbil-dung. Mit Daimler zusammen arbeitete er später an der Erfindung des Automobils.
„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert.“ Gustav Werner hatte sich entschlossen, nicht bloß Missstände zu beklagen und Sonntagsreden zu halten. Er hat es gewagt, etwas zu tun. Er hat nicht gefragt, ob er das schaffen kann, nicht gefragt, ob das nicht auch ande-re tun könnten. Er hat begriffen: Einer muss es tun. Einer muss den Anfang machen. Und er hat viele gefunden, die ihn dann unterstützt haben.
„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“ Missstände beklagen und sich ärgern ist leicht. Besser wäre es, etwas zu tun: Vielleicht eine Turngruppe für Kindergartenkinder anzubie-ten oder als Trainer im Sportverein mitzumachen. Das hat einen Wert und die Kinder müssen nicht so dick werden und die Jugendlichen haben jemanden, der für sie da ist
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