Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen...
Im Evangelium wird heute die Geschichte von der Heilung eines Gelähmten erzählt. Seine Freunde scheuen keine Mühe, ihn zu Jesus zu bringen. Sie decken sogar das Dach des Hauses ab, um ihn von oben herab, Jesus vor die Füße zu legen. Die einzige Chance, da sonst vor lauter Leuten kein Durchkommen möglich war.
Mich fasziniert diese Geschichte immer wieder auf´s Neue. Und ich denke immer wieder gerne über sie nach. Zum Beispiel über den Gelähmten.
Da ist einer, der sich helfen lässt. Ob so ganz freiwillig….oder gar auf eigenes Bitten…bleibt unklar. Sonnenklar ist aber, dass er es aus eigener Kraft nicht schaffen würde, dorthin zu kommen. Er braucht Unterstützung, tatkräftige Hilfe. Und er nimmt sie an, vielleicht weil sich nur so für ihn etwas ändern kann.
Ich hab hohe Achtung, vor dem, der sich helfen lassen kann – zumal es mir nicht immer leicht fällt, Hilfe anzunehmen oder darum zu bitten. Nur niemand zu Last fallen…
Gleichzeitig leuchtet mir ein, dass Leben ohne die Hilfe von anderen, das Zusammenspiel vieler Kräfte gar nicht möglich wäre. Wenn ich zehnmal selber Autofahren kann, braucht es welche, die das Auto bauen, die Straßen, und einen der mir das Fahren beibringt.
Wenn ich mir immer wieder bewusst mache, wie viel mir durch dieses Zusammenspiel vieler bereits geholfen ist, fällt es mir leichter mir in Notsituationen auch helfen zu lassen. Helfen und sich helfen lassen gehört zum Menschsein. Und dass es auch wunderschön sein kann beschreibt eine Geschichte aus der islamischen Weisheitsliteratur:
Ein Strom wollte durch die Wüste zum Meer. Doch so schnell er auch in den Sand fließen mochte, seine Wasser wurden dabei aufgesogen und verschwanden. Da hörte er eine Stimme, die aus der Wüste kam und sagte: „Der Wind durchquert die Wüste, und der Strom kann es auch. Du musst dem Wind erlauben, dich zu deinem Bestimmungsort hinüberzutragen.“
„Aber wie soll das zugehen?“
„Indem du dich von ihm aufnehmen lässt.“
„Aber kann ich nicht derselbe Fluss bleiben, der ich jetzt bin?“
„In keinem Fall kannst du bleiben, was du bist“, flüsterte die geheimnisvolle Stimme. „Was wahrhaft wesentlich an dir ist, wird fortgetragen und bildet wieder einen Strom.“
Und der Fluss ließ seinen Dunst aufsteigen in die Arme des Windes, der ihn willkommen hieß, sachte und leicht aufwärts trug und ihn, sobald sie den Gipfel des Gebirges erreicht hatten, wieder sanft herabfallen ließ. Schöner und frischer als je zuvor.“ (Weisheit der Sufi)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5486
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