SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

Von Westen dräut es schwarz daher:
ein unermesslich Wolkenheer.
Und als die ersten Blitze zucken,
stehn Gaffer ungerührt und gucken
vom Strand die große Arche an
und witzeln über Noahs Kahn.
‚Da müsst ihr arg zusammenrücken’,
so ruft’s, ‚und werdet bald ersticken
am Duft der Kühe und der Ziegen
und allem, was davon bleibt liegen.’

Als Noah seine Luke schließt
und noch einmal nach draußen grüßt,
wird das Gelächter riesengroß, -
und schon bricht das Gewitter los.
Das Wasser rauscht vom Himmel her.
Wo vordem Land war, wächst das Meer.
Und Noahs Boot, mit allem drin,
es schaukelt übers Meer dahin.
Und wird es manchem Landtier auch
speiübel in Gedärm und Bauch,
weil die Erfahrung völlig neu
mit solcher Seefahrtsschaukelei,
so können sie es doch verwinden,
weil sie im Trocknen sich befinden.
Der Regen trommelt laut aufs Dach,
doch dieses Dach – es gibt nicht nach.

Das Boot steigt langsam mit der Flut,
schwimmt immer oben. So ist’s gut.
Und Noah, der gerechte Mann,
hilft fleißig, wo er helfen kann,
streicht hier dem Zebra übern Nacken,
lässt dort den Floh ein Äffchen zwacken,
reicht der Giraffe etwas Heu,
dem Dackel seinen Schappibrei
und merkt auf alle Notrufzeichen,
dieweil die Tage zäh verstreichen.

Nach Wochen plötzlich wird es still;
kein Scharren, Schmatzen, kein Gebrüll:
die ganze Archonautenschar
ist stumm, wie sie’s zuvor nie war,
und aller Augen sind nach oben
erwartungsvoll emporgehoben,
wo es so heftig und so nass
getrommelt ohne Unterlass.
Denn droben hört man jetzt nichts mehr,
und Noah seufzt: ‚Gott, danke sehr!’
Er schaut umher in frohe Mienen
sogar die Krokodile grienen -
und ruft: ‚versprochen in die Hand:
wir steigen bald aufs feste Land’ –

Nach Tagen banger Warterei
erbebt das Boot mit einem Schrei
und rammt und ruckt und geht dabei
o Wunder! nicht einmal entzwei.
Und Noah streicht sich seinen Bart
und meint: ‚Fürwahr, der Stoß war hart.
Wir schwimmen nicht mehr, sondern schweben,
draus dürfte sich der Schluss ergeben,
dass wir auf eines Berges Spitzen
mit unserm Boot vor Anker sitzen.’

Der Berg, wie man vernommen hat,
war wohl der hohe Ararat.
Und gehst du hin und suchst mit Glück,
dann findest du vielleicht ein Stück
der Arche aus den Sintfluttagen
und kannst es stolz nach Hause tragen.
Und treibst du das mit Akribie,
wird’s Biblisch’ Archäologie.


wenn Sie mehr von Reiner Strunks
biblischen Geschichten in Reimform
lesen wollen, demnächst gibt es das Buch:


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96 Seiten, 9,95 Euro
ISBN 978-3-920207-33-9
Verlag der Evang. Gesellschaft https://www.kirche-im-swr.de/?m=5426
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