Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Viele Leute können andere nicht gut um etwas bitten. Und auch beten können sie nicht – oder nicht mehr.. Manchmal kommt das von schlechten Erfahrungen mit dem Beten und Bitten: wenn nicht eingetreten ist, was ich wollte, wenn jemand meiner Bitte nicht ent-sprechen kann oder will – dann bin ich enttäuscht. Manchmal auch beleidigt. Der kann mich mal gerne haben, denke ich dann: den bitte ich nicht wieder um irgendwas. Dabei hat er vielleicht Gründe gehabt, warum es nicht so ging, wie ich mir das vorgestellt habe. Und eigentlich würde er mir gern helfen…
„Bittet, so wird euch gegeben.“ So hat Jesus die Leute seiner Zeit ermutigt. Er selbst hat sich oft zurückgezogen und gebetet, wird erzählt. Und danach ging es ihm besser: Er hatte dann wieder Mut, auf das zuzugehen, was auf ihn zukam. Offensichtlich hat er ge-spürt – ich werde nicht allein gehen müssen.
„Bittet, so wird euch gegeben!“ Jesus wusste auch, dass Gott nicht immer genau das tut, was jemand von ihm haben will. Er war kein Schwärmer und hatte keine Illusionen. Aber er spürte: die Nähe
zu Gott, die durch das Beten entsteht, die tut gut und stärkt einen für den Alltag.
Bitten und Beten fällt einem aber noch aus einem ganz anderen Grund schwer, glaube ich.
Beten ist was für Weicheier, hat mir neulich jemand gesagt. Und wer will schon ein Wei-chei sein, einer, der zu schwach ist fürs Leben? Wenn ich jemanden bitte, dann würde ich ja zugeben, dass ich es allein nicht schaffe. Wenn ich einen anderen zur Hilfe brauche – zeigt das nicht, wie schwach ich bin? Wie stehe ich denn dann da? Werden sie nicht über mich lachen, oder jedenfalls mitleidig lächeln: Ich habe es ja gewusst, das kriegt sie al-lein nicht hin? Schamrot würde ich dann werden! Und sie würden noch mehr lachen. Deshalb werde ich alles tun, damit ich es allein schaffe. Und wie stehe ich vor mir selber da, wenn etwas nicht klappt? Ich will doch so gut sein wie möglich. Eine, die versagt, will ich nicht sein. Ich will stolz auf mich sein und auf das, was ich alles schaffe. Und die an-deren sollen mich bewundern. Dann schämen sich höchsten die anderen und werden rot, weil sie es nicht so gut können wie ich.
Wenn Sie manchmal auch so denken, dann möchte ich Ihnen aber noch etwas zu beden-ken geben: Perfektion schafft Abstand. Es ist schwer auszuhalten mit jemandem, der immer alles allein schafft. Auf einmal ist womöglich keiner mehr da, den man bitten könnte. Bitten und Beten dagegen bringt zueinander. Bringt Menschen zueinander und bringt Menschen und Gott zueinander. Auch wenn dann nicht immer gleich das passiert, was ich eigentlich wollte: man kommt sich näher und dann geht vieles besser.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5353
weiterlesen...