Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Menschen und Menschenaffen haben gemeinsame Vorfahren. Das hat Charles Darwin entdeckt, der vor 200 Jahren geboren wurde. Auf einer fünf Jahre langen Weltreise hat er herausgefunden: Es überleben immer die Tiere und Pflanzen, die am fittesten sind für ih-re Umwelt. So sind die verschiedenen Arten entstanden.
Es gab einen Skandal, als sich Darwins Lehre verbreitete. Und bis heute gibt es Christen, die nicht wahrhaben wollen, was Darwin beobachtet und ausgewertet hat. Gott hat alles Leben geschaffen, sagen sie: jede einzelne Art. Noch immer halten manche Christen deshalb die sogenannte Evolutionslehre für einen Skandal.
Wirklich skandalös für Christen ist aber etwas anderes, finde ich: wirklich skandalös sind die Folgerungen, die viele für das Zusammenleben der Menschen heute aus Darwins Leh-re ziehen. Nur die Fittesten und Stärksten können überleben, sagen sie, was zu schwach ist, geht unter. So ist das Leben und so ist es gut. Das kann man auf die Wirtschaft be-ziehen: Nur die starken Unternehmen überleben und werden stärker, die schwächeren müssen untergehen. Deshalb ist der Kapitalismus gewissermaßen natürlich. Das kann man auch auf die Menschen beziehen: Wer stark genug ist, sich durchzusetzen, hat eine Chance. Die Schwächeren können eben nicht bestehen im Konkurrenzkampf des Lebens. So ist das Leben nun mal, sagen manche.
Ich finde, dieser Sozialdarwinismus ist für Christen wirklich skandalös.
Erstens weil es ja gar nicht gesagt ist, dass das, was natürlich ist, auch gut ist. eine Kat-ze spielt mit der Maus lange, bevor sie sie auffrisst. Das ist natürlich. Aber ist das auch gut? Wäre es natürlich, wenn Menschen sich genauso verhalten?
Zweitens und vor allem aber: wir Christen glauben, dass Gott selbst Mensch geworden ist. Und zwar gerade keiner von den durchsetzungsfähigen Herrenmenschen. Sondern ei-ner, der schwach war und am Ende ein Opfer der Stärkeren. Als Jesus am Kreuz starb, hat ein Zuschauer gesagt: So ist der Mensch! Und Gott hat gezeigt: gerade diese ge-scheiterte Existenz, gerade dieser leidende Mensch, dem bin ich nah. Der hat einen Platz in meiner Welt.
Die Starken und Mächtigen damals fanden, dass das ein Skandal ist. Weil die Natur und der gesunde Menschenverstand ja etwas anderes lehren. Gott aber steht auf der Seite der Schwachen. Deshalb setzen Christen sich dafür ein, dass die Schwachen ihren Platz haben und leben können.
Und wenn das leider auch nicht natürlich ist: es ist menschlich. Und christlich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5349
weiterlesen...