Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Zwei Frauen, beide Mitte 40, beide in führender Position. Die eine ist schon über 15 Jahre da, die andere kam erst vor knapp 2 Jahren. Angefangen hat alles damit, dass vor einem guten Jahr die Neue sich einfach anders verhalten hat als erwartet. Die Dienstältere vermisst Anerkennung und Respekt. Die neue Kollegin grüßt morgens nicht immer, die Tür zu ihrem Büro ist ständig zu, Sitzungen sind nicht so vorbereitet, wie sie das gewohnt ist. Umgekehrt glaubt die Neue, dass die Kollegin Gerüchte über sie in die Welt setzt, dass sie ihr Boshaftigkeit unterstellt. Und so weiter und so fort... Man kann sich vorstellen, wie so etwas eskaliert. Eine knifflige Frage, wer mobbt hier wen, wer hat Schuld? Die Chemie stimmt nicht mehr. Die Geschichte eskaliert und landet nach allen möglichen Zwischenstufen schließlich beim Arbeitsgericht. Eine gütliche Lösung oder Versöhnung ist nicht mehr möglich. Es gibt ein juristisches Urteil. Ob das der Sache oder den Menschen gerecht wird?
Es gibt Arbeitgeber die frühzeitig versuchen Eskalationen zu unterbrechen. Wird der Chef damit konfrontiert, dass zwei Kollegen sich Mobbing vorwerfen, sorgt er dafür, dass die beiden mit einem Unbeteiligten Dritten, einem Mediator ins Gespräch kommen.
Als solcher erstaunt es mich immer wieder, dass es, trotz aller Widrigkeiten, die Hoffnung auf eine gute Lösung gibt. Es sind nicht nur Lippenbekenntnisse. Egal wie festgefahren der Konflikt ist, egal wie tief die Verletzungen sind, Gerüchte jemand diskreditieren, dem anderen Boshaftigkeit unterstellt wird - meistens gibt es bei den Beteiligten die Hoffnung auf eine gute Lösung. Manchmal geht es in meiner Arbeit auch nur darum, diese Hoffnung freizulegen. Sie ist unter Missverständnissen, Lügen und Verletzungen verschüttet. Diese Hoffnung begegnet mir auch in Galgenhumor verpackt: „Heute sind wir einen Schritt weiter - Gestern standen wir am Rand des Abgrunds!“
Versteckte Ironie ist aber ein schlechter Ratgeber. Besser ist es, die Hoffnung auf eine gute Lösung ernst zu nehmen und zu stärken. Sie kann Kräfte freisetzten.
Zum Beispiel, dass sich die Beteiligten überlegen, was denn der andere für positive Seiten hat, was er gut kann, was er womöglich besser kann als ich. Dass auch anerkennende Worte ausgesprochen werden.
Es geht nicht darum, nur freundlich zu tun, zu heucheln oder „gute Mine zum bösen Spiel“ zu machen. Vielmehr es geht darum, das Gift zu verdünnen, zu neutralisieren, ihm etwas Positives gegenüberzustellen.
Mit oder ohne professionelle Hilfe in Sachen Konfliktmanagement: Die Hoffnung auf eine gute Lösung muss genährt werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=524
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