Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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“Wenn ich einmal groß bin,...“ hört man Kinder sagen. “Wenn ich einmal groß bin, dann werde ich Flugzeugpilot.“ Die Augen und die Stimme verraten, dass es ein großer Traum ist, eine Menge damit verbunden wird. Die große weite Welt, die Faszination des Fliegens, Freiheit und Abenteuer bis an die körperlichen Grenzen. Lokomotivführer, Rennfahrer, Spitzensportler.
“Wenn ich einmal groß bin, dann werde ich Künstler.“ Schriftsteller, Philosoph, Maler, Musiker, Tänzer oder Schauspieler: In all diesen Berufen spiegelt sich die Kultur unserer Zeit. Oft weisen Künstler auf Schieflagen im System hin. Sie sind wie ein soziales Gewissen. Künstlerische Arbeit kann auch reiner Selbstzweck, einfach nur schön sein.
“Wenn ich einmal groß bin, werde ich Ingenieur. Mit immer raffinierterer Technik die Welt verbessern, mitbauen an einem funktionierenden Kosmos.
“Wenn ich einmal groß bin, werde ich Ärztin.“ Die strahlenden Augen und der begeisterte Tonfall verraten, anderen Menschen helfen, Leid mindern ist eine Berufung. Ähnlich verhält es sich mit anderen heilenden und helfenden Berufen: Feuerwehrmann, Polizistin, Krankenschwester, Erzieherin, um nur ein paar zu nennen.
Kinder träumen oft ihre Zukunft in einer heileren, gerechteren, schöneren Welt, ohne dass sie deswegen langweilig und uninteressant würde. Aus den Traumberufen entwickelt sich dann meistens etwas ganz anderes. Man bekommt nicht die gewünschte Lehrstelle. Die Abi-Note reicht nicht für ein bestimmtes Studium. Der elterliche Betrieb muss weitergeführt werden. Eine körperliche Einschränkung verhindert den Traumberuf. Politische oder wirtschaftliche Zwänge bestimmen die Arbeit, die getan werden muss. Manchmal muss einfach das eigene Überleben oder das der Familie gesichert werden. Flucht oder andere familiäre Schicksale bescheren Tätigkeiten, welche man im Traum nicht geglaubt hätte einmal machen zu müssen. Auch wenn man seinen Traumberuf hat, sind die Rahmenbedingungen oft alles andere als traumhaft. Willkommen in der Realität?
Ich glaube, trotz der ökonomischen Zwänge ist es wichtig sich solche Träume immer wieder in Erinnerung zu rufen. Was kann ich denn trotz allem verwirklichen? Mir hilft dabei eine provokante Aufforderung: “Arbeitet - als würdet Ihr kein Geld brauchen.“ Das heißt für mich: egal welche Tätigkeit, es ist mein ganz persönlicher Beitrag für diese Gesellschaft, für diese Welt. Ich erwarte dafür einen gerechten Lohn, keine Frage, aber wichtig ist auch die Frage, ob ich das mache, was ich am besten kann, ob ich Dinge mache, an denen ich Spaß habe. Und wenn das nicht bei der beruflichen Arbeit geht, so gibt es vielleicht andere Gelegenheiten.
Ich glaube in jedem steckt ein bisschen ein Abenteurer, Ingenieur, Künstler oder Arzt.

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