Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute vor 488 Jahren wurde Martin Luther vom damaligen Papst Leo X. mit dem Bann belegt und aus der Kirche ausgeschlossen. Damit war die Kirchenspaltung perfekt, die Chance einer innerkirchlichen Reformation vertan. Nach bald fünf Jahrhunderten ist diese Spaltung immer noch nicht überwunden, als sei das Gebot Jesu, „dass alle eins seien“ (Johannes 17,21), nichts anderes als sein frommer Wunsch. Gerade in diesen Tagen führen wieder die Bedenkenträger in beiden Konfessionen das Wort. Statt glaubwürdig um die Einheit zu ringen, wird nur an den unterschiedlichen Profilen gefeilt und eine neue „Eiszeit“ zwischen den Konfessionen herbei geredet. Dabei verbindet uns doch der Glaube an den einen Gott und Herrn, seinen menschgewordenen Sohn und den guten, heiligen Geist.
Auch der katholischen Kirche stünde es gut zu Gesicht, sie würde sich ernsthaft mit Martin Luther und seiner Theologie auseinandersetzen. Je mehr wir einander in den verschiedenen Konfessionen verstehen, desto eher können wir gemeinsam glauben und bekennen und die Einheit schaffen.
Als Katholik ist mir vor allem Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ans Herz gewachsen. Darin heißt es: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemanden untertan – durch den Glauben“. Angesichts der damaligen korrupten und machtbesessenen Kirche reklamiert Luther völlig zu Recht die „Freiheit der Kinder Gottes“, wie sie der Apostel Paulus leidenschaftlich vertrat.
Diese Aussage, „durch den Glauben niemanden untertan zu sein“, bliebe freilich unvollständig, würde sie nicht durch den zweiten Satz Martin Luthers ergänzt: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan – durch die Liebe“.
Freiheit ist nicht nur Freiheit von Knechtschaft, sondern Freiheit für die Liebe. „Durch den Glauben steigt der Christ über sich hinaus zu Gott; aus Gott steigt er unter sich hinab durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott...“, schreibt Martin Luther. Denn „die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott“, so steht es in der Bibel (1 Johannes 4,7).
Was wäre der Glaube ohne die Liebe? Und was wären die Werke der Liebe ohne den Glauben, jenes tiefe Vertrauen zu Gott, dass er uns birgt und befreit?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5171
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