Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Und schon dämmert der letzte Tag dieses Jahres herauf. Ach, könnte man doch der Zeitmaschine in die Speichen greifen, die Zeit anhalten, so wünschen wir es uns manchmal. Anhalten können wir sie nicht, aber innehalten könnten wir wohl – gerade jetzt, wo wir dieses Jahr mit der Kennziffer 2008 loslassen, entlassen müssen in die Geschichte hinein.
Ein wenig innehalten, um bewusst zu behalten, festzuhalten, was diese Tage Kostbares und Wertvolles in sich bargen: Stunden der Liebe, da wir uns umarmt und angenommen fühlten. Die Geborgenheit in Freundschaft und Beziehung. So manches gute Gespräch, das uns aufgerichtet hat, das fröhliche Lachen, aber auch Begegnungen und Ereignisse, die uns wertvoll waren. Wie gerne würden wir auch ein paar schöne, sonnige Sommertage festhalten mit ihrem Glanz oder das kleine Glück einer stillen Stunde.
In Firmen und Kaufhäusern läuft in diesen Tagen mit Hochbetrieb die jährliche Inventur. Wie wohl täte es unserem Inneren, sich einmal Zeit zu nehmen für eine gründliche Bestandsaufnahme und eine nüchterne Bilanz. „Prüft alles, das Gute behaltet“, rät der Apostel Paulus (1 Thessalonicher 5, 21). Kaum ein Mensch, dem nicht auch viel geschenkt worden wäre in diesem verflossenen Jahr. „Das Gute behaltet“, bewahrt es tief in eurem Herzen.
Wohin aber mit all dem, was uns zugemutet worden war? Was uns bedrückte und Leid über uns brachte? Niemand, der nicht in diesem Jahr auch Schmerzen erlitten und Enttäuschungen oder gar Verluste zu beklagen hätte. Wohin auch mit unseren eigenen Versäumnissen und Nachlässigkeiten, mit Schuld und Lieblosigkeit, mit der negativen Spalte unserer Bilanz? Wohin mit all den Tränen, die – auch wenn sie inzwischen vertrocknet sind – doch tiefe Spuren in unserem Inneren hinterlassen haben? Vergessen, verdrängen – das haut nicht hin, wir bleiben im „Soll“. Die Bilder kehren wieder, selbst in unseren Träumen.
Gläubige Menschen können eines tun: sie dürfen diese Defizite abgeben, übergeben an den gnädigen Gott, der kein Bilanzbuchhalter ist.
Der evangelische Christ und Bekenner Jochen Klepper spricht mir mit seinem Lied aus dem Herzen: „Der du die Zeit in Händen hast, Herr, nimm auch dieses Jahres Last und wandle sie in Segen...“
Und er schließt sein Lied mit dem innigen Gebet: „Der du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unsrer Zeiten; bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5168
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